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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Salon vor Triumph platzen.«
    Abbé Faujas hatte den Kopf behutsam so gedreht, daß er sehen konnte, was in dem großen Salon vor sich ging. Er gewahrte Frau Rougon, die dort inmitten des Kreises, der sie umgab, wahrhaft prächtig wirkte; sie schien auf ihren Zwergenfüßen größer zu werden und alle Rücken rings um sich mit dem Blick einer siegreichen Königin zu beugen. Zuweilen verging sie für Sekunden vor Wonne, wobei ihre Augenlider zuckten im goldenen Widerschein der Decke, in der ernsten Anmut der Wandbespannungen.
    »Ah! Da ist Ihr Vater«, sagte die fette Stimme. »Da kommt der gute Doktor herein … Es ist sehr seltsam, daß der Doktor Ihnen diese Dinge nicht erzählt hat. Er weiß darüber besser Bescheid als ich.«
    »Ach! Mein Vater hat Angst, daß ich ihm Unannehmlichkeiten bereite«, erwiderte der andere heiter. »Sie wissen, daß er mich verwünschte, dabei fluchte, ich brächte ihn um seine Patienten … Entschuldigen Sie mich bitte, ich erblicke eben Herrn Maffres Söhne, ich will ihnen die Hand geben.«
    Das Rücken von Stuhlen war zu hören, und Abbé Faujas sah, wie ein großer junger Mann mit schon müdem Gesicht den kleinen Salon durchquerte. Der andere Herr, der mit den Rougons so munter umgesprungen war, erhob sich gleichfalls. Eine Dame, die vorbeikam, ließ sich von ihm sehr liebliche Dinge sagen, sie lachte, sie nannte ihn »lieber Herr de Condamin«. Da erkannte der Priester den gutaussehenden Mann von sechzig Jahren wieder, den Mouret ihm im Garten der Unterpräfektur gezeigt hatte. Herr de Condamin setzte sich an die andere Ecke des Kamins. Dort war er völlig überrascht, Abbé Faujas zu erblicken, den ihm die Sessellehne verborgen hatte; aber er ließ sich keineswegs aus der Fassung bringen. Er lächelte und sagte mit der Dreistigkeit eines liebenswürdigen Mannes:
    »Herr Abbé, ich glaube, daß wir eben gebeichtet haben, ohne es zu wollen … Es ist eine große Sünde, nicht wahr, über seinen Nächsten üble Nachrede zu führen? Glücklicherweise waren Sie da, um uns Absolution zu erteilen.«
    Sosehr der Abbé auch sein Gesicht in der Gewalt hatte, er konnte nicht verhindern, daß er leicht errötete. Er verstand vortrefflich, daß Herr de Condamin ihm vorwarf, den Atem angehalten zu haben, um zu lauschen. Aber dieser war nicht der Mann, einem Neugierigen zu grollen, im Gegenteil. Er war entzückt über dieses bißchen Mitwisserschaft, das er zwischen dem Priester und sich eben hergestellt hatte. Das berechtigte ihn, ungezwungen zu reden, den Abend mit dem Erzählen von Skandalgeschichten über anwesende Personen totzuschlagen. Das war sein bestes Vergnügen. Dieser in Plassans neu angekommene Abbé schien ihm ein ausgezeichneter Zuhörer zu sein; um so mehr, da er häßlich aussah, aussah wie jemand, der dazu gut ist, alles mit anzuhören, und der eine wahrhaft zu schäbige Soutane trug, als daß die Vertraulichkeiten, die man sich mit ihm erlauben wurde, Weiterungen nach sich ziehen könnten.
    Nach Verlauf einer Viertelstunde hatte es sich Herr de Condamin bequem gemacht. Mit seiner großen weltmännischen Höflichkeit erklarte er Abbé Faujas Plassans.
    »Sie sind fremd unter uns, Herr Abbé«, sagte er. »Es würde mich sehr freuen, wenn ich Ihnen bei irgend etwas nützlich sein könnte … Plassans ist eine Kleinstadt, in der man sich mit der Zeit eine Bleibe einrichtet. Ich stamme aus der Umgebung von Dijon. Na ja! Als man mich hier zum Oberforstmeister ernannt hat, verabscheute ich die Gegend, ich fand es hier sterbenslangweilig. Das war am Vorabend des Kaiserreichs. Vor allem nach 1851 hat die Provinz nichts Heiteres gehabt, versichere ich Ihnen. In diesem Departement18 hatten die Einwohner eine hündische Angst. Der Anblick eines Gendarmen hätte sie unter die Erde kriechen lassen … Das hat sich nach und nach beruhigt, sie haben den gewöhnlichen Alltagstrott wiederaufgenommen, und, mein Gott, ich habe mich schließlich darein gefügt. Ich lebe draußen, ich mache lange Spazierritte, ich habe mir einige Verbindungen geschaffen.« Er senkte die Stimme und fuhr in vertraulichem Ton fort: »Wenn ich Ihnen raten darf, Herr Abbé, seien Sie vorsichtig. Sie können sich nicht vorstellen, in welches Wespennest ich beinahe gefallen wäre … Plassans ist in drei völlig unterschiedliche Stadtviertel eingeteilt: die Altstadt, wohin sie nur Tröstungen und Almosen zu bringen haben; das SaintMarcViertel, das der Landadel bewohnt, ein Ort der Langeweile und Rachsucht, dem sie

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