Die Eroberung von Plassans - 4
Restaurants. An der anderen Seite befand sich noch eine Art Boudoir, in dem Félicité tagsüber ihre Besucher empfing; ein strohfarbenes Boudoir, in dem die Möbel mit violet ten Ranken bestickt, und das so mit Sesseln, Puffs und Kanapees vollgestellt war, daß man kaum darin umhergehen konnte.
Abbé Faujas setzte sich in die Kaminecke, als wolle er sich die Füße wärmen. Er saß so, daß er durch eine weit offene Tür eine gute Hälfte des grünen Salons sehen konnte. Der so freundliche Empfang durch Frau Rougon beschäftigte ihn; er schloß halb die Augen, befaßte sich eingehend mit einem Problem, dessen Lösung ihm entging. Nach einer Weile hörte er beim Träumen hinter sich Stimmen; sein Sessel mit der riesigen Rückenlehne verbarg ihn völlig; und er senkte die Lider noch mehr. Gleichsam durch die starke Hitze des Feuers eingeschläfert, hörte er zu.
»Ich bin damals ein einziges Mal zu ihnen gegangen«, fuhr eine fette Stimme fort. »Sie wohnten gegenüber auf der anderen Seite der Rue de la Banne. Sie waren wohl damals in Paris, denn ganz Plassans hat zu jener Zeit den gelben Salon der Rougons gekannt; ein jämmerlicher Salon mit zitronengelber Tapete zu fünfzehn Sous die Rolle; mit Möbeln, die mit Utrechter Samt bezogen waren, und mit behaglichen Sesseln. Schauen Sie sie sich jetzt an, den Schwarzkopf in kastanienbraunem Satin da hinten auf diesem Puff. Sehen Sie, wie sie dem kleinen Delangre die Hand hinhält. Mein Wort! Sie wird sie ihm gleich zum Kuß reichen.«
Eine jüngere Stimme feixte und murmelte:
»Sie müssen hübsch gestohlen haben, um einen so schönen grünen Salon zu haben, denn Sie wissen ja, das ist der schönste Salon der Stadt.«
»Die Dame«, begann der andere wieder, »hat immer leidenschaftlich gern Gäste empfangen. Wenn sie keinen Sou hatte, trank sie Wasser, um ihren Gästen abends Zitronengetränke anzubieten … Oh! Ich kenne sie haargenau, die Rougons; ich hatte ihren Werdegang verfolgt. Das sind Leute, die vor nichts zurückschrecken. Sie waren rasend vor Begierden, daß sie imstande gewesen wären, an einer Waldecke jemand mit dem Messer umzubringen. Der Staatsstreich hatte ihnen geholfen, einen Traum von Genüssen zu befriedigen, der sie seit vierzig Jahren folterte. Deshalb sind sie so gefräßig, deshalb schlagen sie sich so den Magen mit guten Dingen voll! – Sehen Sie, dieses Haus, das sie heute bewohnen, gehörte damals einem Herrn Peirotte, einem Steuereinnehmer, der bei der Geschichte in SainteRoure während des Aufstandes 1851 getötet wurde. Ja, meiner Treu! Sie haben in jeder Beziehung Glück gehabt. Eine verirrte Kugel hat sie von diesem lästigen Mann befreit, den sie beerbt haben … Na schön! Hätte Félicité zwischen dem Haus und dem Amt des Steuereinnehmers zu wählen gehabt, so hätte sie sicherlich das Haus genommen. Seit nahezu zehn Jahren wandte sie kein Auge von ihm ab, war von dem rasenden Gelüst einer schwangeren Frau erfaßt, wurde beim Anblick der reichen Vorhänge krank, die hinter den Fensterscheiben hingen. Das waren ihre Tuilerien15, wie es in einer Bemerkung hieß, die nach dem zweiten Dezember16 in Plassans umlief.«
»Aber woher haben sie das Geld genommen, um das Haus zu kaufen?«
»Ah! Das, mein Bester, ist eine dunkle Geschichte … Ihr Sohn Eugéne, der, der in Paris eine so erstaunliche politische Karriere gemacht hat, Abgeordneter, Minister, Geheimer Rat in den Tuilerien, erwirkte für seinen Vater, der hier eine sehr hübsche Posse gespielt hatte, mit Leichtigkeit eine Steuereinnehmerstelle und das Kreuz der Ehrenlegion17. Was das Haus anbelangt, so wird es durch Absprachen bezahlt worden sein. Sie werden sich bei irgendeinem Bankier etwas geliehen haben … Heute sind sie jedenfalls reich, sie spekulieren, sie holen die verlorene Zeit wieder auf. Ich denke mir, daß ihr Sohn mit ihnen in Briefwechsel geblieben ist, denn sie haben noch nicht eine einzige Dummheit begangen.« Die Stimme schwieg, um fast sogleich mit ersticktem Lachen fortzufahren: »Nein, ich lache unwillkürlich, wenn ich sehe, wie diese verdammte Grille Félicité ihre Herzoginnenmiene aufsetzt! Ich erinnere mich immer noch an den gelben Salon mit seinem abgenutzten Teppich, seinen schmutzigen Konsolen, dem mit Fliegendreck übersäten Musselin seines kleinen Kronleuchters … Da empfängt sie jetzt die beiden Fräulein Rastoil. Je! Wie sie mit der Schleppe ihres Kleides herumwedelt … Diese Alte, mein Bester, wird eines Tages mitten in ihrem grünen
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