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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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nicht zuviel mißtrauen können; und die Neustadt, das Viertel, das noch jetzt um die Präfektur herum gebaut wird, das einzig mögliche, das einzig passende … Ich hatte die Torheit begangen, in das SaintMarcViertel hinunterzuziehen, wohin mich, wie ich glaubte, meine Verbindungen rufen mußten. Oh, jawohl! Ich habe nur Witwen von Stande, dürr wie Bohnenstangen, und in Armut dahinlebende Marquis gefunden. Alle Welt weint der guten alten Zeit nach. Nicht die geringste Geselligkeit, kein noch so kleines Fest; eine heimliche Verschwörung gegen den glücklichen Frieden, in dem wir leben … Ich hätte mir beinahe Ungelegenheiten bereitet, mein Ehrenwort. Péqueur hat sich über mich lustig gemacht … Herr Péqueur des Saulaies, unser Unterpräfekt, kennen Sie ihn? – Da bin ich über den Cours Sauvaire gezogen, ich habe dort am Platz eine Wohnung genommen. Sehen Sie, in Plassans ist das Volk nicht vorhanden, der Adel ist unverbesserlich; erträglich sind nur einige Emporkömmlinge, reizende Leute, die sich für die Leute von Rang und Würden in große Unkosten stürzen. Unsere kleine Beamtenwelt ist sehr glücklich dran. Wir leben unter uns, wie es uns behagt, ohne uns um die Einwohner zu bekümmern, als ob wir unser Zelt in erobertem Land aufgeschlagen hätten.« Er lachte vor Behagen, streckte sich noch mehr und hielt seine Fußsohlen gegen die Flamme; darauf nahm er vom Tablett eines Dieners, der gerade vorbeikam, ein Glas Punsch, trank langsam, wobei er Abbé Faujas weiterhin verstohlen von der Seite betrachtete.
    Dieser fühlte, daß es die Höflichkeit von ihm erforderte, sich einen Satz einfallen zu lassen.
    »Dieses Haus wirkt sehr angenehm«, sagte er, sich halb zum grünen Salon umdrehend, in dem sich die Unterhaltung belebte.
    »Ja, ja«, antwortete Herr de Condamin, der dann und wann innehielt, um ein Schlückchen Punsch zu trinken, »die Rougons lassen uns Paris vergessen. Man würde hier niemals meinen, in Plassans zu sein. Das ist der einzige Salon, in dem man sich vergnügt, weil es der einzige ist, in dem alle Meinungen in nahe Berührung miteinander treten … Péqueur gibt gleichfalls sehr nette Gesellschaften … Das muß die Rougons tüchtig was kosten, und sie streichen keine Kanzleigelder ein wie Péqueur; aber sie haben Besseres als das, sie haben die Taschen der Steuerpflichtigen.« Dieser Scherz entzückte ihn. Er stellte das leere Glas, das er in der Hand hielt, auf den Kamin; und näherrückend, sich niederbeugend, fuhr er fort: »Was es hier an Vergnüglichem gibt, sind die fortwährenden Komödien, die sich abspielen. Wenn Sie die Personen kennen würden! – Dort hinten sehen Sie Madame Rastoil zwischen ihren beiden Töchtern, diese etwa fünfundvierzigjährige Frau, die einen Kopf wie ein blökendes Schaf hat … Nun ja! Haben Sie das Zucken ihrer Augenlider bemerkt, als sich Delangre ihr gegenüber hingesetzt hat? Jener Herr, hier links, der wie ein Hanswurst aussieht – Sie haben sich vor einigen zehn Jahren intim gekannt. Es heißt, eines der beiden Fräulein sei von ihm, aber man weiß nicht mehr recht, welches … Das drolligste ist, daß Delangre um die gleiche Zeit herum kleine Sorgen mit seiner Frau gehabt hat; man erzählt, daß seine Tochter von einem Maler sei, den ganz Plassans kennt.«
    Abbé Faujas hatte geglaubt, eine ernste Miene aufsetzen zu müssen, um solche vertraulichen Geständnisse entgegenzunehmen; er schloß die Lider gänzlich; er schien nicht mehr zuzuhören.
    Herr de Condamin fuhr fort, als wollte er sich rechtfertigen: »Wenn ich mir erlaube, so von Delangre zu sprechen, so deshalb, weil ich ihn gut kenne. Er ist verflixt tüchtig, dieser Teufelsmensch! Ich glaube, sein Vater war Maurer. Vor etwa fünfzehn Jahren führte er die kleinen Prozesse, von denen die anderen Rechtsanwälte nichts wissen wollten. Madame Rastoil hat ihn tatsächlich aus dem Elend herausgezogen; sie schickte ihm sogar das Winterholz, damit er es schön warm hatte. Durch sie hat er seine ersten Gerichtsfälle gewonnen … Beachten Sie, daß Delangre damals die Geschicklichkeit besaß, keinerlei politische Meinung zu zeigen. Als man 1852 einen Bürgermeister suchte, hat man deshalb auch unverzüglich an ihn gedacht; er allein konnte eine solche Stellung annehmen, ohne einen der drei Stadtteile in Schrecken zu versetzen. Seit jener Zeit ist ihm alles gelungen. Er hat die schönste Zukunft. Das Unglück ist, daß er sich mit Péqueur nicht sehr versteht. Sie streiten zusammen immer

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