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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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war anwesend, mitten unter den anderen Priestern. Er blieb ruhig mit seinem schönen, ernsten Gesicht, als sich alle Augen zu ihm umwandten. Marthe war rot geworden auf dem Podium, wo sie inmitten der Wohltätigkeitsdamen thronte.
    Als die Feierlichkeit beendet war, wollte der Bischof das Haus in allen Einzelheiten besichtigen. Trotz Abbé Fenils offensichtlich schlechter Laune ließ er Abbé Faujas rufen, dessen große schwarze Augen nicht einen einzigen Augenblick von ihm gewichen waren und den er bat, ihn doch begleiten zu wollen, wobei er mit einem Lächeln laut hinzufügte, daß er gewiß keinen besser unterrichteten Führer wählen könne. Diese Bemerkung machte unter den Anwesenden, die sich zurückzogen, die Runde; am Abend besprach ganz Plassans Monsignores Verhalten.
    Das Komitee der Wohltätigkeitsdamen hatte sich in dem Haus einen Raum vorbehalten. Dort boten sie dem Bischof einen Imbiß an; er nahm einen Keks und zwei Schlückchen Malaga, wobei er die Möglichkeit fand, zu jeder von ihnen liebenswürdig zu sein. Das bildete den glücklichen Abschluß dieses frommen Festes; denn vor und während der Feierlichkeit hatte es aus lauter Eitelkeit Reibereien zwischen jenen Damen gegeben, die Monsignore Rousselots zartsinnige Lobsprüche wieder in gute Stimmung versetzten. Als sie wieder allein waren, erklärten sie, alles sei sehr gut abgelaufen; sie konnten sich über die Huld des Kirchenfürsten nicht genugtun. Allein Frau Paloque blieb bleich. Der Bischof hatte sie bei der Austeilung seiner Artigkeiten vergessen.
    »Du hattest recht«, sagte sie wütend zu ihrem Mann, als sie nach Hause kam, »ich bin bei ihren Dummheiten der Packesel gewesen! Ein schöner Gedanke, diese verdorbenen Gassenmädchen zusammenzustecken! – Kurzum, ich habe ihnen meine ganze Zeit geopfert, und dieser große Trottel, der Bischof, der vor seiner Priesterschaft zittert, hat nicht einmal ein Dankeschön für mich gefunden! – Als wenn Madame de Condamin irgendwas getan hätte! Sie ist viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Toiletten zu zeigen, diese alte … Wir wissen, was wir wissen, nicht wahr? Man wird uns am Ende noch dahin bringen, Geschichten zu erzählen, die nicht jedermann spaßig finden wird. Wir, wir haben nichts zu verbergen … Und Madame Delangre, und Madame Rastoil! Es wäre leicht, sie bis über beide Ohren erröten zu lassen. Haben sie sich auch nur aus ihren Salons weggerührt? Haben sie sich halb soviel Mühe gegeben, wie ich gehabt habe? Und diese Madame Mouret, die anscheinend das Ruder führt und die nur damit zu tun hatte, sich an die Soutane ihres Abbé Faujas zu hängen! Noch so eine Heuchlerin, diese da, die uns noch übel mitspielen wird … Na schön! Alle, alle haben eine nette Bemerkung abbekommen, ich nichts. Ich bin der Packesel … Das kann so nicht weitergehen, siehst du, das ist zuviel. Der Packesel wird schließlich ausschlagen.«
    Von diesem Tag an zeigte sich Frau Paloque viel weniger gefällig. Sie führte die Schriftsachen nur noch sehr unregelmäßig, lehnte Arbeiten ab, die ihr mißfielen, so daß die Wohltätigkeitsdamen davon sprachen, einen Angestellten in Dienst zu nehmen. Marthe erzählte diese Verdrießlichkeiten Abbé Faujas und fragte ihn, ob er nicht einen tüchtigen Menschen wisse, den er ihr empfehlen könne.
    »Suchen Sie niemanden«, antwortete er ihr, »ich habe vielleicht jemanden … Lassen Sie mir zwei oder drei Tage Frist.«
    Seit einiger Zeit erhielt er häufig Briefe, die in Besançon abgestempelt waren. Sie waren alle von der gleichen Handschrift, einer derben, häßlichen Schrift. Rose, die sie ihm hinaufbrachte, behauptete, daß er sich schon ärgere, wenn er nur die Umschläge sehe.
    »Sein Gesicht wird ganz komisch«, sagte sie. »Bestimmt hat er den, der ihm so oft schreibt, nicht gern.«
    Anläßlich dieses Briefwechsels erwachte Mourets alte Neugier für eine Weile. Eines Tages brachte er mit liebenswürdigem Lächeln selber einen der Briefe hinauf, entschuldigte sich, sagte, daß Rose nicht da sei. Abbé Faujas hegte zweifellos Mißtrauen, denn er tat entzückt, als habe er diesen Brief ungeduldig erwartet. Aber Mouret ließ sich durch diese Komödie nichts vormachen; er blieb auf dem Treppenabsatz und legte sein Ohr an das Türschloß.
    »Wieder von deiner Schwester, nicht wahr?« sagte Frau Faujas˜ rauhe Stimme. »Was hat sie denn, daß sie dir so zusetzt?«
    Schweigen trat ein; dann wurde ein Blatt Papier ungestüm zusammengeknittert, und die Stimme des

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