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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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gewinnendem Ton in die Unterhaltung ein:
    »Das ist wie mit den Kleidungsstücken; wenn ich auf Reisen gehe, ziehe ich das Schlechteste an, was ich besitze. Ich habe zu Honoré gesagt: ›Laß man, dein alter Gehrock ist gut genug.‹ Er trägt auch seine Arbeitshose, eine Hose, die zu schleppen er überdrüssig ist … Sie sehen, ich habe mein häßlichstes Kleid ausgesucht; es hat sogar Löcher, glaube ich. Dieses Umschlagetuch habe ich von Mama. Zu Hause bügelte ich darauf. Und meine Haube erst! Eine alte Haube, die ich nur noch benutzte, wenn ich ins Waschhaus ging … Für den Staub ist das alles noch zu gut, nicht wahr, Madame?«
    »Gewiß, gewiß«, wiederholte Marthe, die zu lächeln versuchte.
    In diesem Augenblick ließ sich oben auf der Treppe eine gereizte Stimme mit folgendem kurzem Ausruf vernehmen:
    »Na und, Mutter?«
    Als Mouret den Kopf hob, gewahrte er Abbé Faujas, der sich an das Treppengeländer im zweiten Stock lehnte und, auf die Gefahr hin, runterzustürzen, mit schrecklichem Gesicht vorbeugte, um besser zu sehen, was in der Diele vor sich ging. Er hatte den Stimmenlärm gehört, er mußte wohl schon eine Weile dort stehen und wurde nun ungeduldig.
    »Na und, Mutter?« rief er von neuem.
    »Ja, ja, wir kommen nach oben«, antwortete Frau Faujas, die der wütende Tonfall ihres Sohnes anscheinend erzittern ließ. Und sich zu den Trouches umdrehend, sagte sie: »Vorwärts, Kinder, wir müssen nach oben gehen … Wir wollen Madame nicht aufhalten.«
    Aber die Trouches schienen nicht zu verstehen. Sie fühlten sich wohl in der Diele; sie schauten sich mit entzücktem Gesichtsausdruck um, als habe man ihnen das Haus geschenkt.
    »Das ist sehr nett, sehr nett«, flüsterte Olympe, »nicht wahr, Honoré? Ovides Briefen zufolge dachten wir nicht, daß es so nett wäre. Ich habe es dir ja gesagt: ›Man muß dort runterfahren, wir werden besser leben, ich werde mich gesundheitlich besser fühlen.‹ Na! Ich hatte recht.«
    »Ja, ja, man wird sich bestimmt sehr wohl fühlen«, sagte Trouche zwischen den Zähnen. »Und der Garten ist ziemlich groß, glaube ich.« Sich an Mouret wendend, fragte er dann: »Herr Mouret, gestatten Sie Ihren Mietern, im Garten spazierenzugehen?«
    Mouret hatte keine Zeit, zu antworten. Abbé Faujas war heruntergekommen und schrie mit Donnerstimme:
    »Na und, Trouche? Na und, Olympe?«
    Sie drehten sich um. Als sie ihn, schrecklich vor Zorn, auf einer Stufe stehen sahen, machten sie sich ganz klein, folgten sie ihm mit krummem Buckel. Er ging vor ihnen her nach oben, ohne anscheinend auch nur zu bemerken, daß die Mourets da waren, die diesem sonderbaren Abzug zusahen. Um die Sache beizulegen, lächelte Frau Faujas Marthe zu, während sie das Gefolge beschloß.
    Aber als Marthe hinausgegangen war und Mouret sich allein fand, blieb er einen Augenblick in der Diele. Oben im zweiten Stock knallten die Türen heftig zu. Stimmen erschollen, dann herrschte Totenstille.
    »Hat er sie eingelocht?« sagte er lachend. »Schadet nichts, das ist eine dreckige Familie.«
    Gleich am nächsten Tag wurde Trouche, der anständig angezogen, ganz in Schwarz gekleidet und rasiert war und dessen spärliche Haare sorgfältig über die Schläfen nach oben gekämmt waren, durch Abbé Faujas Marthe und den Wohltätigkeitsdamen vorgestellt. Er war fünfundvierzig Jahre alt, verfügte über eine sehr schöne Handschrift und erzählte, er habe längere Zeit in einem Handelshaus die Bücher geführt. Die Damen wiesen ihn unverzüglich in sein Amt ein. Er sollte das Komitee vertreten, sich von zehn bis vier Uhr in einem Büro, das sich im ersten Stock des Marienwerkes befand, mit den materiellen Einzelheiten befassen. Sein Gehalt belief sich auf fünfhundert Francs.
    »Du siehst, diese redlichen Leute sind sehr ruhig«, sagte Marthe nach einigen Tagen zu ihrem Mann.
    Tatsächlich machten die Trouches nicht mehr Lärm als die Faujas. Zu zwei oder drei Malen behauptete Rose wohl, Streitereien zwischen Mutter und Tochter gehört zu haben; aber sogleich habe sich die ernste Stimme des Abbé erhoben und Frieden gestiftet. Trouche ging regelmäßig um drei Viertel zehn weg und kam Viertel nach vier wieder nach Hause; abends ging er nie aus. Olympe machte zuweilen mit Frau Faujas ihre Besorgungen; allein hatte sie noch niemand herunterkommen sehen.
    Das Fenster des Zimmers, in dem die Trouches schliefen, ging auf den Garten; es war das letzte Zimmer rechts, gegenüber den Bäumen der Unterpräfektur. Große

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