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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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in die Gesellschaft von Plassans ein.
    Als Mouret erfuhr, daß seine Frau zur Beichte ging, sagte er lediglich zu ihr:
    »Du tust jetzt also irgendwas Schlechtes, daß du das Bedürfnis empfindest, deine Angelegenheiten einer Soutane zu erzählen?«
    Im übrigen schien er sich inmitten dieser ganzen frommen Geschäftigkeit abzusondern, sich noch mehr in seine Gewohnheiten, in sein enges Leben einzuschließen. Seine Frau hatte ihm Vorhaltungen gemacht, daß er sich beklagt hatte.
    »Du hast recht, es war falsch von mir«, hatte er erwidert. »Man soll anderen kein Vergnügen dadurch machen, daß man ihnen seine Kümmernisse erzählt … Ich verspreche dir, deiner Mutter diese Freude nicht ein zweites Mal zu bereiten. Ich habe nachgedacht. Das Haus kann mir getrost auf den Kopf fallen; zum Teufel, wenn ich vor jemandem winsele!«
    Und von diesem Augenblick an nahm er tatsächlich Rücksicht auf seine Familie, haderte nicht mit seiner Frau, wenn jemand anwesend war, gab sich wie früher für den glücklichsten Menschen aus. Diese Anstrengung gesunden Menschenverstandes kostete ihn wenig; sie wurde ein Bestandteil der beständigen Berechnung seines Wohlbefindens. Er übertrieb sogar seine Rolle als pinseliger Spießbürger, der zufrieden ist zu leben. Marthe spürte seine Ungehaltenheit nur an seinem heftigeren Aufstampfen. Er verschonte sie ganze Wochen hindurch, setzte seinen Kindern und Rose mit seinen Spötteleien zu, schrie sie vom Morgen bis zum Abend wegen der allergeringsten Verfehlungen an. Wenn er Marthe verletzte, so geschah es meistens durch Boshaftigkeiten, die allein sie verstehen konnte.
    Bisher war er nur sparsam, jetzt wurde er geizig.
    »Es ist unvernünftig«, murrte er, »so das Geld auszugeben, wie wir es tun. Ich wette, du schenkst alles kleinen liederlichen Dingern. Es ist schon reichlich genug, daß du deine Zeit vertust … Hör zu, meine Gute, ich werde dir monatlich hundert Francs für Lebensmittel geben. Wenn du den Dirnen, die es nicht verdienen, unbedingt Almosen geben willst, mußt du dein Nadelgeld nehmen.«
    Er blieb fest: im folgenden Monat verweigerte er Marthe ein Paar Halbstiefel unter dem Vorwand, daß das seine Berechnungen durcheinanderbringe und er sie gewarnt habe. Eines Abends jedoch fand seine Frau ihn heiße Tränen weinend im Schlafzimmer. All ihre Güte regte sich; sie nahm ihn in die Arme, bat ihn demütig, ihr seinen Kummer anzuvertrauen. Aber er machte sich grob von ihr frei, sagte, er weine nicht, er habe Kopfschmerzen, und davon habe er rote Augen.
    »Glaubst du etwa«, rief er, »daß ich ein Dummkopf wie du bin und schluchze!«
    Sie war gekränkt. Am nächsten Tag tat er so, als sei er sehr lustig. Einige Tage danach weigerte er sich, als Abbé Faujas und seine Mutter nach dem Abendessen heruntergekommen waren, seine Partie Pikett zu spielen. Der Kopf stehe ihm nicht nach Spiel, sagte er. An den folgenden Tagen fand er andere Vorwände, so daß die Partien aufhörten. Alle gingen auf die Terrasse hinab, Mouret setzte sich seiner Frau und dem Abbé gegenüber, plauderte, suchte Gelegenheiten, das Wort zu ergreifen, das er solange wie irgend möglich behielt, während sich Frau Faujas einige Schritte entfernt im Dunkeln hielt, stumm, unbeweglich, die Hände auf den Knien, einer jener sagenhaften Gestalten ähnlich, die mit der unumstößlichen Treue einer kauernden Hündin einen Schatz bewachen.
    »Na, so ein schöner Abend«, sagte Mouret jedesmal. »Hier ist es besser als im Wohnzimmer. Sie hatten ganz recht herzukommen, um frische Luft zu schöpfen … Sieh mal einer an, eine Sternschnuppe! Haben Sie gesehen, Herr Abbé? Ich habe mir sagen lassen, daß das Petrus ist, der da oben seine Pfeife anzündet.« Er lachte.
    Marthe blieb ernst, durch die Scherze in Verlegenheit gebracht, mit denen er den weiten Himmel verunglimpfte, der sich vor ihr zwischen Herrn Rastoils Birnbäumen und den Kastanien der Unterpräfektur ausbreitete.
    Zuweilen stellte er sich so, als wüßte er nicht, daß sie jetzt die Kirchengebote befolgte; er nahm den Abbé zur Seite, wobei er ihm erklärte, daß er auf ihn rechne, um dem ganzen Haus die ewige Seligkeit zu gewinnen. Andere Male begann er nicht einen Satz, ohne im Ton guter Laune zu sagen: »Jetzt, wo meine Frau zur Beichte geht …« Wenn er dann dieses ewigen Gesprächsgegenstandes überdrüssig war, horchte er auf das, was in den Nachbargärten gesprochen wurde; er erkannte die hurtigen Stimmen, die sich erhoben, von der ruhigen

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