Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
ruhig wie eine beleidigte Königin gebärden: das sind ihre Worte, ich erfinde nichts. Du begreifst, ich brauche dieses Gelichter nicht bei mir. Die Alte war die erste, die nichts von ihrer Tochter hören wollte. Jetzt spricht der Abbé anders. Ich weiß nicht, was ihn umgestimmt haben mag. Irgendeine neue Geheimniskrämerei von ihm. Er muß die beiden brauchen.«
    Marthe zuckte die Achseln und ließ ihn schreien. Er erteilte Rose Anweisung, die Zimmer nicht sauber zu machen; aber Rose gehorchte nur, noch Frau Mouret. Fünf Tage lang brauchte sich sein Zorn in bitteren Worten, in schrecklichen Vorwürfen auf. Wenn Abbé Faujas da war, begnügte er sich zu maulen; er wagte nicht, ihn ins Gesicht hinein anzugreifen. Dann fügte er sich wie immer ins Unabänderliche. Er fand nur noch Spötteleien für diese Leute, die da kommen sollten. Er zog die Schnüre seines Geldbeutels noch mehr zusammen, sonderte sich noch mehr ab, versenkte sich ganz und gar in den selbstsüchtigen Kreis, in dem er sich drehte. Als sich die Trouches an einem Oktoberabend einfanden, murmelte er nur: »Teufel! Die riechen nicht gut, die sehen aus wie Galgenvögel.«
    Abbé Faujas schien wenig begierig, seine Schwester und seinen Schwager am Tage ihrer Ankunft zu zeigen. Die Mutter hatte sich auf der Türschwelle aufgestellt. Sobald sie die beiden, die vom Place de la SousPréfecture herkamen, erblickte, spähte sie umher und warf unruhige Blicke hinter sich in den Hausflur und in die Küche. Aber sie hatte Pech. Als die Trouches eintrafen, kam Marthe, die im Begriff war auszugehen, aus dem Garten herauf, und die Kinder folgten hinterdrein.
    »Ah! Da ist ja die ganze Familie«, sagte sie mit zuvorkommendem Lächeln.
    Frau Faujas, die sich sonst so gut in der Gewalt hatte, verhaspelte sich leicht, während sie ein Wort der Erwiderung stammelte. Einige Minuten blieben sie einander gegenüber mitten in der Diele stehen und musterten sich. Mouret war in großen Schritten flink die Stufen der Freitreppe hinaufgesprungen. Rose hatte sich auf der Schwelle ihrer Küche aufgepflanzt. »Sie müssen doch sehr glücklich sein?« begann Marthe wieder und richtete sich dabei an Frau Faujas. Da sie sich der Verlegenheit, die alle stumm bleiben ließ, bewußt wurde und sie sich gegenüber den Neuangekommenen liebenswürdig zeigen wollte, wandte sie sich an Trouche und fügte hinzu: »Sie sind mit dem Fünfuhrzug gekommen, nicht wahr? – Und wie lange braucht man von Besançon hierher?«
    »Siebzehn Stunden mit der Eisenbahn«, antwortete Trouche und zeigte seinen zahnlosen Mund. »Dritter Klasse, das ist toll, sage ich Ihnen … Da wird einem der Bauch tüchtig durchgeschüttelt.« Er fing mit einem eigentümlichen Geräusch der Kinnladen an zu lachen.
    Frau Faujas warf ihm einen furchtbaren Blick zu. Da versuchte er mechanisch, einen zerplatzten Knopf an seinem speckigen Gehrock wieder zuzumachen, wobei er, zweifellos um Flecke zu verbergen, zwei Hutschachteln, die er trug und von denen die eine grün und die andere gelb war, gegen seine Schenkel drückte. Sein rötlicher Hals gluckste unausgesetzt unter einem schwarzen, zusammengedrehten Krawattenfetzen, der nur einen schmutzigen Hemdzipfel vorkommen ließ. In seinem ganz mit Blatternarben übersäten Gesicht, das das Laster ausschwitzte, brannten gleichsam zwei kleine, schwarze Augen, die er mit begehrlichem und verstörtem Ausdruck unaufhörlich über die Leute, über die Gegenstände hinrollen ließ, Augen eines Diebes, der das Haus untersucht, in das er nachts zurückkommen wird, um ein Ding zu drehen.
    Mouret glaubte, Trouche betrachte die Türschlösser.
    Er hat Augen, dieser Kerl, als wolle er Abdrücke machen, dachte er.
    Olympe begriff unterdessen, daß ihr Mann soeben eine Dummheit gesagt hatte. Sie war eine dünne, blonde, verwelkte große Frau mit ausdruckslosem, unangenehmem Gesicht. Sie trug eine kleine Kiste aus Fichtenholz und ein großes, in ein Tischtuch eingeknüpftes Paket.
    »Wir hatten Kopfkissen mitgenommen«, sagte sie und zeigte mit einem Blick auf das große Paket. »Mit Kopfkissen sitzt man in der dritten Klasse nicht schlecht. Man sitzt genauso bequem wie in der ersten … Freilich! Das ist eine gewaltige Einsparung. Man kann noch soviel Geld haben, man braucht es ja nicht zum Fenster hinauszuwerfen, nicht wahr, Madame?«
    »Gewiß«, antwortete Marthe, die über die Gestalten ein bißchen überrascht war.
    Olympe trat vor, stellte sich in das volle Licht und schaltete sich mit

Weitere Kostenlose Bücher