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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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für sie zustande brachte. Daher trafen sie sich schließlich jeden Sonnabend um neun Uhr mit ihm auf einer Bank der Promenade du Mail. Sie entwischten aus dem Klub, schwatzten bis elf Uhr, im schwarzen Schatten der Platanen verborgen. Guillaume kam beharrlich immer wieder auf die Abende zu sprechen, die sie unter der MinimitenKirche verbrachten.
    »Ihr seid noch schön dumm«, sagte er, »daß ihr euch an der Nase herumführen laßt … Nicht wahr, der Kirchendiener serviert euch Gläser mit Zuckerwasser, als ob er euch die Kommunion gäbe?«
    »Aber nein, du irrst dich, sage ich dir«, versicherte Ambroise. »Man könnte durchaus glauben, in einem der Cafés am Cours Sauvaire zu sein, im Café de France29 oder im Café des Voyageurs30… Man trinkt Bier, Punsch, Madeira, kurz, was man will, alles, was man woanders auch trinkt.«
    Guillaume grinste weiter.
    »Einerlei«, murmelte er, »ich möchte denen ihren ganzen Dreck nicht trinken; ich hätte zuviel Angst, sie hätten mir irgendein Mittelchen reingetan, um mich zu veranlassen, zur Beichte zu gehen. Ich wette, ihr spielt um die Zeche ›Rate mal, wer soll das sein?‹ oder ›Alles, was Federn hat, fliegt in die Höh‹.«
    Herrn Maffres Söhne lachten sehr über diese Scherze. Sie belehrten ihn jedoch eines Besseren, erzählten ihm, daß sogar Kartenspiele erlaubt seien. Das rieche ganz und gar nicht nach Kirche. Und man sei sehr gut aufgehoben, die Diwane seien gut, überall gäbe es Spiegel.
    »Spaß beiseite«, begann Guillaume wieder, »ihr werdet mir nicht weismachen, daß man nicht die Orgel hört, wenn in der MinimitenKirche abends eine Andacht ist … Schon wenn ich wüßte, daß man da über meinem Täßchen jemand tauft, traut oder beerdigt, würde ich mich bei meinem Kaffee wahrhaftig verschlucken.«
    »Das stimmt ein bißchen«, sagte Alphonse. »Als ich neulich tagsüber eine Partie Billard mit Severin spielte, haben wir deutlich gehört; daß man jemand beerdigte. Es war die Kleine von dem Schlächter an der Ecke der Rue de la Banne … Dieser Séverin ist dumm wie sonstwas; er glaubte, mir Angst zu machen, indem er mir erzählte, daß mir der Leichenzug auf den Kopf fallen könnte.«
    »Ach ja, euer Klub ist nett!« rief Guillaume. »Für alles Gold der Welt würde ich nicht den Fuß dorthinein setzen. Lieber trinke ich meinen Kaffee in einer Sakristei.«
    Guillaume fühlte sich sehr gekränkt, daß er dem Jugendklub nicht angehörte. Sein Vater hatte ihm verboten, sich um Aufnahme zu bewerben, weil er befürchtete, er würde nicht zugelassen werden. Aber seine Gereiztheit darüber wurde zu stark; ohne jemanden zu benachrichtigen, ließ er einen Antrag los. Das gab eine große Aufregung. Der Ausschuß, dem es oblag, sich über die Zulassungen zu äußern, zählte damals Herrn Maffres Söhne zu seinen Mitgliedern. Lucien Delangre war Vorsitzender und Séverin Rastoil Schriftführer. Die Verlegenheit dieser jungen Leute war schrecklich. Sie wagten nicht, das Gesuch zu unterstützen; sie wollten Doktor Porquier, diesem so ehrenwerten Mann mit den gut sitzenden Krawatten, der das unbedingte Vertrauen der Damen der Gesellschaft besaß, nicht mißfallen. Ambroise und Alphonse beschworen Guillaume, die Dinge nicht zu weit zu treiben, und gaben ihm zu verstehen, daß er keinerlei Aussicht habe.
    »Laßt doch!« antwortete er ihnen. »Ihr seid alle beide Feiglinge … Glaubt ihr, ich lege Wert darauf, in eure Bruderschaft einzutreten? Ich spiele bloß einen Schabernack. Ich will sehen, ob ihr den Mut haben werdet, gegen mich zu stimmen … Ich werde schön lachen an dem Tag, an dem mir diese Mucker die Tür vor der Nase zuschlagen werden. Was euch betrifft, meine Kleinen, könnt ihr euch vergnügen, wo ihr wollt; ich werde nie im Leben mehr mit euch sprechen.«
    Bestürzt flehten Herrn Maffres Söhne Lucien Delangre an, die Dinge so einzurichten, daß ein Skandal vermieden werde. Lucien unterbreitete die Schwierigkeit seinem üblichen Ratgeber, Abbé Faujas, zu dem er die Bewunderung eines Jüngers gefaßt hatte. Der Abbé kam jeden Nachmittag von fünf bis sechs in den Jugendklub. Er durchquerte mit leutseliger Miene den großen Saal, grüßte, blieb zuweilen vor einem Tisch stehen, um ein paar Minuten mit einer Gruppe junger Leute zu plaudern. Nie nahm er irgend etwas an, nicht einmal ein Glas klares Wasser. Dann trat er in das Lesezimmer, setzte sich an den großen, mit einer grünen Decke überzogenen Tisch, las aufmerksam alle Zeitungen, die der Klub

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