Die Eroberung von Plassans - 4
Herrn Maffres Söhne, die sehr viel jünger waren als er, verdorben zu haben.
»Pah!« sagte Herr de Condamin mit seinem skeptischen Lachen. »Jugend muß sich eben austoben. Was ist da schon groß dabei! Die ganze Stadt ist in Aufruhr, bloß weil die jungen Leute Baccarat25 spielten und man eine Dame bei ihnen angetroffen hat.«
Der Doktor zeigte sich sehr entrüstet.
»Ich möchte Sie um Rat bitten«, sagte er, sich an den Priester wendend. »Herr Maffre ist wie ein Rasender zu mir gekommen; er hat mir die bittersten Vorwürfe gemacht und hat geschrien, es sei meine Schuld, ich hätte meinen Sohn schlecht erzogen … Meine Lage ist wahrhaftig sehr peinlich. Man sollte mich doch besser kennen. Ich habe sechzig Jahre eines makellosen Lebens hinter mir.« Und er fuhr fort zu seufzen, zählte auf, welche Opfer er für seinen Sohn gebracht hatte, sprach von seinen Patienten, die er zu verlieren fürchtete.
Abbé Faujas, der mitten auf dem Gartenweg stand, hob den Kopf, hörte ernst zu.
»Ich wünsche nichts sehnlicher, als Ihnen nützlich zu sein«, sagte er gefällig. »Ich werde Herrn Maffre aufsuchen, ich werde ihm zu verstehen geben, daß er sich von einem gerechten Unwillen zu weit hat hinreißen lassen; ich will ihn sogar bitten, mir für morgen eine Zusammenkunft zu gewähren. Er ist dort nebenan.«
Er durchquerte den Garten, beugte sich zu Herrn Maffre hinüber, der tatsächlich noch immer dort in der Gesellschaft von Frau Rastoil war.
Aber als der Friedensrichter erfuhr, daß der Priester eine Unterredung mit ihm wünsche, wollte er nicht, daß sich Faujas Umstände mache; er stellte sich zu seiner Verfügung und sagte ihm, daß er sich die Ehre geben werde, ihm morgen einen Besuch abzustatten.
»Ah! Herr Pfarrer«, fügte Frau Rastoil hinzu, »mein Kompliment für Ihre Sonntagspredigt. Alle Damen waren sehr bewegt, versichere ich Ihnen.«
Er grüßte, durchquerte abermals den Garten, um Doktor Porquier zu beruhigen. Dann erging er sich bis in die Nacht hinein langsam auf den Gartenwegen, ohne sich weiter in die Gespräche zu mischen, und lauschte auf das Lachen der beiden Gesellschaften zur Rechten und zur Linken.
Als sich Herr Maffre am nächsten Tage einstellte, beaufsichtigte Abbé Faujas gerade die Arbeit zweier Handwerker, die das Wasserbecken ausbesserten. Er hatte den Wunsch bekundet, den Springbrunnen in Tätigkeit zu sehen; dieses Becken ohne Wasser sei traurig, sagte er. Mouret wollte nicht, behauptete, es könnten Unfälle geschehen; aber Marthe hatte die Sache dadurch beigelegt, daß sie entschied, das Becken solle mit einem Gitter umgeben werden.
»Herr Pfarrer«, rief Rose laut, »Der Herr Friedensrichter ist da und fragt nach Ihnen.«
Abbé Faujas beeilte sich. Er wollte Herrn Maffre in den zweiten Stock, in seine Wohnung hinaufführen lassen; aber Rose hatte schon die Tür zum Salon geöffnet.
»Treten Sie doch ein«, sagte sie. »Sind Sie hier nicht zu Hause? Es ist unnütz, den Herrn Friedensrichter zwei Stockwerke hinaufsteigen zu lassen … Bloß hätte ich im Salon Staub gewischt, wenn Sie mir heute früh Bescheid gesagt hätten.«
Als sie die Tür hinter ihnen wieder schloß, nachdem sie die Fensterladen aufgemacht hatte, rief Mouret sie ins Wohnzimmer.
»Recht so, Rose«, sagte er, »heute abend wirst du deinem Pfarrer mein Essen geben, und wenn er oben nicht genug Decken hat, wirst du ihn in mein Bett bringen, nicht wahr?«
Die Köchin wechselte einen Blick des Einvernehmens mit Marthe, die vor dem Fenster arbeitete und darauf wartete, daß die Sonne von der Terrasse verschwand. Dann murmelte sie achselzuckend:
»Sehen Sie, Herr Mouret, Sie haben nie ein gutes Herz gehabt.« Und sie ging davon.
Marthe arbeitete weiter, ohne den Kopf zu heben. Seit einigen Tagen hatte sie sich mit einer Art Fieber wieder an die Arbeit gemacht. Sie stickte eine Altardecke; das war ein Geschenk für die Kathedrale.
Die Damen wollten einen ganzen Altar schenken. Frau Rastoil und Frau Delangre hatten es übernommen, die Armleuchter zu beschaffen, Frau de Condamin ließ aus Paris eine prächtige, silberne Christusfigur kommen.
Im Salon machte Abbé Faujas unterdessen Herrn Maffre sanfte Vorhaltungen und sagte ihm, daß Doktor Porquier ein frommer Mann von großer Ehrbarkeit sei, daß er als erster unter dem bedauernswerten Benehmen seines Sohnes leide.
Der Friedensrichter hörte ihm andächtig zu: sein dickes Gesicht, seine großen, vorstehenden Augen nahmen bei bestimmten frommen Worten,
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