Die Erpresserin
längst
abgetreten war.
»Es ist nicht viel, aber ich
nenne es mein Heim«, sagte sie vergnügt. »Kommen Sie herein, Rick, es gibt
keine Wanzen hier — ich schwöre es Ihnen!«
Ich trottete in ihrem
Kielwasser entlang, bis sie plötzlich auf halbem Weg in dem langen Flur
stehenblieb und rief: »He, Lisa! — Marvin — wo, zum Kuckuck, seid ihr denn?«
»In der Küche, Süße«, rief eine
gedämpfte weibliche Stimme hinter einer geschlossenen Tür am Ende des Flurs.
»Hast du den Mann mitgebracht?«
»Klar!« schrie Polly zurück.
»Ich schicke ihn gleich hinein, nur zum Beweis.« Sie trat beiseite und grinste
mir zu. »Gehen Sie voraus, Holman! Und stören Sie sich nicht daran, wenn Lisa
nichts anhat. Sie ist weniger verrückt, als einfach zerstreut.«
»Ich bin zerstreuten Nudisten
gegenüber immer nachsichtig«, sagte ich großzügig, »solange sie weiblich und
schön sind.«
Ich war in kürzester Zeit am
Ende des Flurs angelangt, öffnete schnell die Tür und trat mit erwartungsvollem
Gesicht in die Küche. Der Anblick der splitterfasernackten Brünetten, die mit
herabbaumelnden Beinen auf der Tischkante saß, veranlaßte mich, abrupt
stehenzubleiben. Sie hatte klare braune Augen in einem Faunsgesicht, aber das
Lächeln, das um ihre Lippen spielte, war ausgesprochen satyrhaft.
»Hallo«, sagte sie freundlich
mit einer Kleinmädchenstimme. »Ich bin Lisa.«
Ihre üppigen Brüste gehörten
jedoch zu einem sehr großen Mädchen, und als sie mit den Schultern wackelte,
bebten sie aus Sympathie mit. Es war ein Anblick, der schwache Männer stark
macht. Ich spürte einen sanften Druck in meinem Rücken und dann flüsterte Polly
in mein Ohr: »Gehen Sie nur hinein, Rick, Lisa beißt nicht.«
Ich trat zwei Schritte weiter
in den Raum, womit ich die weitgeöffnete Tür hinter mir ließ; und dann hörte
ich hinter mir einen Laut, der wie ein Flüstern klang. In dem mir verbleibenden
Bruchteil einer Sekunde wurde mir aufs peinlichste bewußt, wie sauber man mich
hereingelegt hatte — die nackte Lisa vor mir, um meine volle Konzentration auf
sich zu ziehen, und Polly hinter mir, die mich nötigte, weiter in den Raum
hineinzutreten. Die Küche war klein und begrenzt, und ich konnte mit Sicherheit
erkennen, daß sich nur eine Person — Lisa — vor mir befand. Wo war also Marvin?
Hinter der Tür natürlich, und — aber damit war der Bruchteil der bewußten
Sekunde abgelaufen, obwohl ich den Kopf drehte. Alles, was zurückblieb, war ein
plötzliches schmerzvolles Versinken in die Vergessenheit.
Etwa fünf Minuten später weilte
ich wieder unter den Lebenden und saß, einen nagenden Schmerz im Hinterkopf,
auf einem Stuhl, an dessen vordere Beine meine Füße gebunden waren, während man
mir die Hände auf dem Rücken gefesselt hatte. An der einen Seite neben mir saß
Lisa immer noch auf dem Tisch und baumelte lässig mit den Beinen. Vor mir stand
Polly Buchanan, die Arme unter dem karierten baumwollbedeckten Busen
verschränkt, und beobachtete mich mit abweisendem Ausdruck in den Augen. Neben
ihr stand ein großes, schlaksiges Individuum in einem schmutzigen Trikot und
verblichenen blauen Baumwollhosen. Ich schätzte ihn auf Anfang Zwanzig, und er
hatte kurzgeschnittenes sandfarbenes Haar und ein häßliches, sommersprossiges
Gesicht. Eine Art moderner Huckleberry Finn, und die Art, wie sein rechtes Auge
fortgesetzt zuckte, konnte einfach eines der Symptome des zwanzigsten
Jahrhunderts sein.
»Sie haben einen harten Kopf,
Holman«, sagte er mit leichtherzig und liebenswürdig klingender Stimme. »Ich
dachte, Sie würden noch mindestens weitere fünf Minuten k. o. bleiben.«
Ich blickte Polly an. »Was soll
das Ganze bedeuten — Halloween?«
»Wir wollten Ihnen nur ein paar
Fragen stellen, Rick«, sagte sie mit einer eisigen Stimme, die zu dem Ausdruck
in ihren Augen paßte. »Wir wollen einige aufrichtige Antworten darauf haben.«
»Sie hätten auch auf einfachere
Weise aufrichtige Antworten bekommen können«, knurrte ich, »und diesen Trick
hier für später aufheben können.«
»Das hier ist der Trick, der
die aufrichtigen Antworten garantiert, mein Schlauköpfchen!« Lisa wackelte
wieder mit den Schultern und kicherte. »Der alte Marv hier kennt nur seine eigenen Kräfte nicht.«
»Gut«, sagte Polly ungeduldig.
»Dein Trick hat ausgezeichnet funktioniert, Lisa. Aber nun brauchen wir deinen
prachtvollen Körper nicht mehr, wie wär’s, wenn du jetzt ein paar
Kleidungsstücke anlegen würdest?«
Die
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