Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erpresserin

Die Erpresserin

Titel: Die Erpresserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
kein Laut,
und so nahm ich an, Polly sei eine dieser leisen Köchinnen, die sich nur an den
Eisschrank heranschleichen, wenn er gerade nicht hinschaut. Ich warf einen
Blick auf meine Uhr, stellte fest, daß es kurz vor halb acht war, nahm den
Telefonhörer ab und wählte Clay Rawlings nicht im Telefonbuch aufgeführte
Nummer. Die Haushälterin meldete sich mit ihrem irischen Akzent. Ich bat, Mr.
Rawlings sprechen zu dürfen, und fügte hinzu, Lieutenant Freed sei am Apparat.
    »Lieutenant?«
sagte Clays Stimme ein paar Sekunden später.
    »Hier
ist Rick Holman, Clay«, sagte ich schnell. »Aber ich möchte weder die
Haushälterin noch Baby wissen lassen, daß ich es bin — okay?«
    »Ja,
ich — äh — glaube schon, Lieutenant. Um was handelt es sich?«
    »Ich
möchte mich heute gegen neun Uhr dreißig mit Ihnen treffen — und zwar allein.«
    »Ich
glaube, das geht, Lieutenant. Wo? Bei Ihnen?«
    »Nicht
bei mir, Clay, bei Sonia Dresden.«
    »Was?« Er hielt einen Augenblick inne, um seine Stimme auf normale Lautstärke
herabzudämpfen. »Ich verstehe nicht — Lieutenant!«
    »Sie
haben mich engagiert, damit ich mich davon überzeuge, daß es wirklich Loomis
war, der Angie umgebracht hat«, sagte ich. »Im Augenblick glaube ich nicht, daß
Loomis der Täter war. Die einzige Möglichkeit, es mit Sicherheit
herauszufinden, ist, diese Verabredung einzuhalten.«
    Etwa
fünf Sekunden verstrichen, bevor er antwortete, und dann hatte seine Stimme
einen dumpfen, resignierten Klang. »Okay, Lieutenant. Ich werde dort sein.«
    Ich
legte auf und ging in die Küche hinaus. Sie war leer, ja verlassen, und ich
dachte verbittert, es sei wirklich kein feiner Zug der Köchin, einfach zu
verschwinden, ohne mir auch nur ein Wort zu sagen. Außerdem roch es angebrannt,
und einen flüchtigen Augenblick lang hatte ich die panikartige Vorstellung, daß
Polly sich selbst verbrannt haben mußte, aber dann führten mich meine
zitternden Nüstern zum Abfalleimer. Er enthielt unter anderem zwei Pfund Filet,
die im wahrsten Sinn des Wortes zu Kohle verbrannt waren; dies erklärte auch,
weshalb die Köchin verschwunden war, ohne sich erst lange mit Formalitäten
aufzuhalten.
    Ich
kehrte ins Wohnzimmer zurück, spürte den kläglichen Protest meines gegen mein
Rückgrat gepreßten Magens und nahm mein Glas in die Hand. Es gab eine Nummer im
Telefonbuch, die man anrufen konnte, wenn man das Bedürfnis empfand, Selbstmord
zu begehen, fiel mir ein, und dann wurde einem eiligst jemand geschickt, der
einem die Sache ausreden sollte. Ich überlegte mir noch eine geeignete
Unterhaltung, mit deren Hilfe ich die betreffende Stelle dazu überlisten
könnte, mir zwei Hamburger herüberzuschicken, als die stramme blonde
Halluzination plötzlich wieder auf der Schwelle der Küchentür erschien.
    »Möchtest
du jetzt essen, Rick?« fragte sie freundlich.
    »Willst
du damit sagen, daß du das verbrannte Steak aus dem Abfalleimer herausgeholt
und abgestaubt hast?« knurrte ich.
    »Ich
hatte gehofft, du würdest es nicht merken«, sagte sie mit zitternder Stimme.
»Aber das Abendessen ist jedenfalls fertig.«
    Das
hatte gerade noch gefehlt, dachte ich angewidert. Nun hatte meine stramme
blonde Halluzination selbst Halluzinationen. Aber was sollte es, zum Teufel —
man mußte mit den Wölfen heulen.
    »Das
Abendessen ist fertig?« fragte ich vorsichtig.
    »Ja«,
sagte sie. »Kommst du?«
    Ich
hob mein rechtes Bein hoch in die Luft und stellte es mit einem weit
ausholenden Halbkreis wieder auf den Boden. Dann nahm ich imaginäre Zügel in
die Hand und lächelte ihr in das verdutzte Gesicht.
    »Du
hast doch nichts dagegen, wenn ich auf meinem Pferd in die Küche reite?« fragte
ich vergnügt. »Es säuft nämlich chronisch, und ich wage nicht, es allein an der
Bar zurückzulassen.«
    Dann,
ohne ihre Antwort abzuwarten, galoppierte ich in rasendem Tempo in die Küche
und fiel schlicht aus dem Sattel, als mir der aromatische Duft von Chicken chow mein geradewegs in meine hungrigen Gedärme drang.
    »Ich
bin keine Hexe!« protestierte Polly zwei Minuten später. »Nachdem ich das Steak
so verpfuscht hatte, schlich ich mich zum Wagen hinaus, fuhr ins Westend Village und holte das chinesische Fressi .
Und überhaupt, was soll all der Quatsch mit dem Pferd?«
    »Eine
Fata Morgana, hervorgerufen durch beginnenden Hungertod«, brummte ich. »Sitz
nicht einfach herum, gib mir noch was!«
    Kaffee
konnte sie zubereiten, und wir tranken ihn hinten im Wohnzimmer. Polly saß

Weitere Kostenlose Bücher