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Die erregte Republik

Die erregte Republik

Titel: Die erregte Republik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thymian Bussemer
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Angehörigen einer solchen Koalition in ihre Heimat einladen. Das Medienecho darauf war so gewaltig, dass die Botschaft dementieren und erklären musste, Jamaika wolle sich nicht in die deutsche Innenpolitik einmischen. |114| Gleichzeitig tobte zwischen Jörg Schönenborn von der ARD und Peter Hahne vom ZDF ein Streit darüber, wer die Urheberschaft am Begriff der Jamaika-Koalition habe. Bald kam aber heraus, dass keiner der beiden Sender diese verbuchen durfte. Das Dormagener Wochenblatt
Schaufenster
konnte nachweisen, dass einer seiner früheren Redakteure den Begriff 1994 in einem Kommunalwahlkampf geprägt hatte. Bald darauf war aber auch dieser Spuk vorbei, denn für ein Jamaika-Bündnis gab es keine politische Basis und so wurde die große Koalition gebildet. 79

|115| 5. Die entfaltete Medienrepublik
    Berlin reloaded
    Von den Anfängen der Bundesrepublik bis zur vollen Entfaltung der Mediendemokratie war es ein weiter Weg. Zwischen Wolfgang Koeppens
Treibhaus
und den heutigen Verhältnissen liegen zahlreiche Zäsuren: die
Spiegel
-Affäre von 1962, die den Wert der Pressefreiheit ins breite Bewusstsein rückte und das Selbst- und Sendungsbewusstsein des politischen Journalismus stärkte, der Kampf um die Ostpolitik in den frühen und der einsetzende Prozess der Medienkonzentration in den späten 1970er-Jahren, die Einführung des dualen Rundfunks in den 1980ern, die Medienkrise der Jahrtausendschwelle, das Aufkommen des Internets mit all seinen Implikationen, der Bonn-Berlin-Umzug und nicht zuletzt die große Konfrontation von Regierung und Medien im Wahlkampf 2005. All das hat einen Umbruch bewirkt, weitere Schübe Richtung Mediengesellschaft, welche die Verhältnisse gründlich verändert haben.
    Dreizehn Jahre nach dem Regierungsumzug ist der politisch-mediale Komplex in Berlin fest installiert. Das Raumschiff Bonn ist endgültig zum Biotop Berlin mutiert. Der politische und mediale Wettbewerb um Aufmerksamkeit findet nun in der Hauptstadt unter den Bedingungen enormer Verdichtung und Beschleunigung statt. Die Zahl der Medienkanäle und das Tempo der Berichterstattung haben sich vervielfacht, Artikel und O-Töne werden immer kürzer, die Zeitungsseiten (etwa bei der
Berliner Zeitung,
der
Frankfurter Rundschau
oder der
Welt kompakt
) kleiner. Was zunächst ins Auge springt, ist die |116| schiere quantitative Zunahme an Medien in der Hauptstadt. In Berlins Mitte ist in der vergangenen Dekade eine politisch-mediale Superstruktur entstanden, die kaum noch zu überschauen ist. Rund 2500 Journalistinnen und Journalisten berichten aus Berlin tagesaktuell über Politik. 80 Bei der Bundespressekonferenz, dem Zusammenschluss der die Bundespolitik kommentierenden Journalisten, waren Ende 2010 mehr als 900 Parlamentskorrespondenten Mitglied. Alle nationalen sowie die Mehrheit der überregionalen Tageszeitungen sind in Berlin mit Hauptstadtbüros oder Korrespondenten präsent. Mehr als 60 nationale und internationale Fernsehstationen unterhalten Berliner Dependancen, ebenso wie 94 regionale Tageszeitungen, die in Berlin mit Korrespondenten oder eigenen Büros vertreten sind. Hinzu kommen die lokalen Berliner Medien, die beiden überregionalen Qualitätszeitungen
Berliner Zeitung
und
Tagesspiegel
sowie die
taz
, die in Berlin gemacht werden, und die großen Redaktionen des Axel-Springer-Verlags mit
Welt
und
Bild
. 81 Im Bonn dagegen gab es neben den bei der Bundespressekonferenz akkreditierten Journalisten nur den
Bonner Generalanzeiger
.
    Mit dem Umzug von der ruhigen Mittelstadt am Rhein in die nervöse Metropole an der Spree war somit auch die berühmt-berüchtigte Nähe passé, auf deren Grundlage journalistische und politische Eliten in Bonn jahrzehntelang die jeweils aktuelle Kommentarlinie verhandelt hatten. Der Ausbruch aus dem viel zu engen Bonn hätte eine Chance für vitalere und lebensnähere Strukturen der Öffentlichkeit bedeuten können. Doch statt zu einer Öffnung und Hinwendung zu den gesellschaftlichen Realitäten des Landes kam es in Berlin zur Entstehung eines monokulturellen Diskurssystems zwischen Politik und Medien, das sich noch hermetischer darstellt, als dies in Bonn je der Fall war. Die bis heute andauernde Einigelung von |117| Bundespolitik und bundespolitisch berichtenden Medien auf wenigen Quadratkilometern von Berlin-Mitte lässt sich nur durch den Schock der ersten Stunde erklären, den die Bonner beim Umzug vom Rhein an die Spree erlitten. Für die Bonner Journalisten bestand dieser

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