Die Erscheinung
Woche waren wir nicht beim Wasserfall«, betonte sie und küsste ihn.
»Aber ich bin zu müde«, seufzte er. »Immerhin erwarte ich ein Baby.«
»Nein -
ich.
Und ich will spazieren gehen. Erinnerst du dich, was die Irokesinnen gesagt haben? Damit kräftige ich die Beine des Kindes.« Als er stöhnend die Augen verdrehte, lachte sie fröhlich.
»Und
meine
Beine werden geschwächt. Vergiss nicht - ich bin ein alter Mann.« Soeben war er einundvierzig geworden, was man ihm nicht ansah. Und Sarah hatte ihren siebenundzwanzigsten Geburtstag gefeiert.
Weil er ihr keinen Wunsch abschlagen konnte, folgte er ihr ins Freie. Nach fünf Minuten blieb sie stehen, und er glaubte, ein Steinchen wäre in ihren Schuh geraten. Aber da umklammerte sie seinen Arm, und er ahnte, was geschehen würde. Wenigstens hatten sie sich noch nicht allzu weit vom Haus entfernt, und sie konnten noch umkehren. Das wollte er seiner Frau gerade vorschlagen, als sie plötzlich neben ihm zu Boden sank. Noch nie hatte sie so heftige Schmerzen verspürt, und sie konnte kaum atmen, als er an ihrer Seite niederkniete. »Was ist los, Sarah?« Doch das wusste er nur zu gut. Und sie lag tatsächlich am Straßenrand. Natürlich durfte er sie nicht verlassen, um den Arzt zu holen, und die beiden Jungen würden seinen Hilferuf nicht hören. Einer arbeitete im Garten, der andere hielt sich im Haus auf, um den kleinen Alexandre zu betreuen.
»O François - ich kann mich nicht bewegen …«, stöhnte sie gepeinigt. Das war nicht der Anfang der Wehen, sondern schon das Ende. »O Gott - das Baby kommt …«
»Unmöglich, Liebste.« Wenn es bloß so einfach wäre, dachte er. Aber sie wusste es besser. Keuchend krallte sie ihre Fingernägel in seine Hand und schrie beinahe. »Denk daran, wie lange es letztes Mal gedauert hat!«, versuchte er sie zu beruhigen. Er wollte sie hochheben und ins Haus tragen. Das ließ sie nicht zu.
»Nicht!«, kreischte sie und wand sich verzweifelt umher, während er hilflos neben ihr kniete.
»Bitte, Sarah, du darfst nicht hier liegen bleiben. So schnell kann das Baby nicht kommen. Wann hat es denn angefangen?«
»Keine Ahnung. Den ganzen Tag hatte ich Rückenschmerzen, und seit einiger Zeit tut mein Bauch weh. Ich dachte, das käme davon, dass ich Alexandre so lange herumgeschleppt habe.« Mit seinen zehn Monaten war er groß und schwer, und er genoss es, auf ihrem Arm zu sitzen.
»Um Himmels willen!« Jetzt geriet François in Panik. »Also dauern die Wehen schon den ganzen Tag. Wieso hast du's nicht gemerkt?« Auf einmal glich sie einem gescholtenen Kind, und sein Mitleid erwachte. So sehr sie sich auch dagegen sträubte, er würde sie ins Haus tragen. Sein Kind durfte nicht im Gras geboren werden, am Straßenrand. Entschlossen versuchte er, sie hochzuheben. Doch sie schrie gellend. Plötzlich verzerrte sich ihr Gesicht, und sie begann zu pressen. Nichts konnte sie daran hindern, ihr Baby hier und jetzt zu gebären, und er erkannte, wie dringend sie seine Hilfe brauchte. Also hielt er ihre bebenden Schultern fest und stand ihr bei, so gut er es vermochte. Ein ohrenbetäubender Schrei erweckte den Eindruck, ihr Innerstes würde zerreißen. An diesen Schrei erinnerte er sich nur zu gut. Behutsam ließ er sie ins Gras gleiten, hob ihre Röcke, riss die Unterhose nach unten - und da spürte er auch schon das Baby in seinen Händen, ein winziges, hochrotes Gesicht, das ihn wütend anbrüllte. Sekunden später folgte der kleine Körper, ein hübsches, offensichtlich kerngesundes kleines Mädchen, das seine ganze Wut am Vater ausließ.
»O Sarah …« Erschöpft und erleichtert wandte er sich zu seiner Frau, die jetzt friedlich lächelnd im Gras lag und die sinkende Sonne beobachtete. »Eines Tages wirst du mich noch umbringen. Tu mir das nie wieder an! Für so was bin ich zu alt!« Dann neigte er sich zu ihr, küsste sie, und sie beteuerte, wie sehr sie ihn liebte.
»Diesmal war's viel einfacher.« Erleichtert aufatmend saß er neben ihr und legte das Baby an ihre Brust. Soeben hatte er mit seinem Jagdmesser die Nabelschnur durchschnitten.
»Wie konntest du den Beginn der Wehen nur übersehen?«, fragte er, überwältigt von dem erstaunlichen Erlebnis. Sarah und das Baby wirkten nun ruhig und gelassen, aber seine Hände bebten noch.
»Weil ich beschäftigt war. Es gibt so viel im neuen Haus zu tun.« Lächelnd öffnete sie ihre Bluse und stillte ihre kleine Tochter.
»Nie wieder werde ich dir trauen. Wenn wir noch ein Kind
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