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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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du würdest sterben.« Vorsichtig beobachtete sie ihn, als wäre er eine giftige Schlange.
    »Ah, die trauernde Witwe und der neue Earl of Balfour … So weit ist es noch nicht, meine Liebe. Dieses Glück wird dir vorerst missgönnt.« Unsanft umfasste er ihr Kinn, und sie staunte erneut über die Kraft, die er nach seiner langen Ohnmacht aufbrachte.
    »Niemand wünscht dir etwas Böses, Edward.« Als er sie losließ, senkte sie den Blick. Dann stand sie auf und verließ das Zimmer, um sein Frühstück zu holen.
    »Dieser Haferschleim wird mich nicht stärken«, klagte er, obwohl er kräftig genug war, um seine Frau zu peinigen.
    »Soll ich dir etwas anderes servieren?«, fragte sie tonlos.
    »Tu das!« Seine Augen verengten sich. Mit diesem drohenden Blick hatte er ihr früher Angst eingejagt. Jetzt zwang sie sich, nicht darauf zu achten und ihre innere Ruhe zu bewahren. »Übrigens weiß ich, was mein Bruder plant, teure Gemahlin. Er wird dich nicht vor mir in Sicherheit bringen, falls du das erhoffst. Und wenn er's versucht - wenn er wirklich und wahrhaftig mit dir flieht, werde ich euch finden und töten. Das meine ich ernst, Sarah.«
    »Natürlich, Edward«, erwiderte sie sanft. »Aber du hast nichts dergleichen zu befürchten. Haversham war sehr besorgt um dich, ebenso wie ich.« Verstört eilte sie aus dem Zimmer. Konnte er Gedanken lesen? Wieso ahnte er, dass sein Bruder ihr letzte Nacht vorgeschlagen hatte, mit ihm zu flüchten? Was würde Edward ihm antun? Vielleicht sollte sie allein das Weite suchen, um Haversham vor dem Zorn ihres Mannes zu retten …
    Ihre Gedanken überschlugen sich, während sie die Küche betrat und ein Frühstückstablett vorbereitete, das Margaret wenig später nach oben trug. Sarah folgte dem Mädchen ins Zimmer ihres Mannes. Inzwischen war der Earl von seinem Kammerdiener rasiert worden. Mit erstaunlichem Appetit verspeiste er die Eier, den Fisch und die frisch gebackenen Brötchen, die Sarah ihm aufgetischt hatte. Natürlich fand er kein Wort des Dankes. In seinem üblichen barschen Ton erteilte er den Dienstboten Befehle. Nur seine Blässe verriet Sarah, dass er sich nicht so großartig fühlte, wie er es vorgab. Als der Arzt erschien und ihn zur Ader lassen wollte, konnte er kaum glauben, wie gut sich Seine Lordschaft erholt hatte. Trotzdem riet er ihm zu einem zweiten Aderlass, worauf der Earl einen Wutanfall bekam und ihm die Tür wies. Zitternd verließ der arme alte Mann das Zimmer, und Sarah folgte ihm, um sich für das Benehmen ihres Gemahls zu entschuldigen.
    »Allzu früh darf Seine Lordschaft nicht aufstehen«, mahnte er. »Und vorerst sollte er keine so herzhaften Mahlzeiten zu sich nehmen.« Er hatte die Reste des Frühstücks gesehen, und soeben hatte die Köchin ein Brathuhn ins herrschaftliche Schlafgemach geschickt. »Wenn er sich so unklug verhält, wird er erneut die Besinnung verlieren«, fügte der Doktor beklommen hinzu. Bei allen sechs Entbindungen hatte er ihr beigestanden, die Babys sterben oder blau verfärbt und tot zur Welt kommen sehen. Was sie in ihrem Eheleben erdulden musste, wusste er, und er bewunderte ihre Würde. Der Earl jagte ihm Angst und Schrecken ein. Nach den letzten drei Totgeburten hatte der Arzt sich geweigert, ihn zu verständigen. Beim ersten Mal hatte Edward ihn geschlagen, den Überbringer ungeheuerlicher Neuigkeiten, und ihn sogar der Lüge bezichtigt.
    »Wir werden gut für ihn sorgen, Doktor«, versprach Sarah, als sie ihn in den Hof begleitete. Dort blieb sie noch lange stehen, nachdem der alte Mann davongeritten war, spürte die Sonnenwärme auf den Wangen und fragte sich, was sie tun sollte. Der schwache Hoffnungsschimmer dieser letzten Nacht war längst erloschen.
    Schließlich kehrte sie in Edwards Zimmer zurück. Haversham saß neben dem Bett, sichtlich verblüfft über die Genesung seines Bruders, die so schnelle Fortschritte machte.
    Am Nachmittag begegnete er ihr im Flur. Sie brachte ihrem Mann gerade eine Suppe, nachdem er den ersten Teller nach ihr geschleudert und ihren Arm verbrüht hatte. Angstvoll schaute Haversham in ihre Augen. »Hör auf mich, Sarah. Jetzt hast du keine Wahl mehr. Du darfst nicht hier bleiben. Seit seinem Unfall führt er sich schlimmer auf denn je. Ich fürchte, er ist wahnsinnig.« An diesem Morgen hatte Edward ihm befohlen, Sarah aus dem Weg zu gehen. Sonst würde er ihn töten. Noch sei er nicht mit ihr fertig - und fest entschlossen, ihrem Schoß einen Erben zu entringen, selbst wenn sie

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