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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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spöttisch vor ihr verneigte. »Hattest du einen Unfall, meine Liebe? Welch ein Pech! Sei in Zukunft etwas vorsichtiger, damit du nicht über deine eigenen Füße fällst.«
    Noch nie hatte sie ihn so abgrundtief gehasst wie in diesem Augenblick. Aber sie ging schweigend, mit ausdruckslosem Gesicht, an ihm vorbei. Nie wieder würde es einen Mann in ihrem Leben geben, keinen Liebhaber, keinen Gemahl, hoffentlich auch keinen Sohn. Nur eins wünschte sie sich - ihre Freiheit.
    Nach diesem schrecklichen Abend ließ er sie in Ruhe. Er hatte sein Ziel erreicht. Zumindest glaubte er das. Meistens hatte eine einzige brutale Vergewaltigung genügt, um sie zu schwängern, und er nahm an, das wäre ihm auch diesmal gelungen. Sarah würde es erst auf dem Atlantik herausfinden.
    Ereignislos verstrichen die letzten Tage, und die Nacht ihrer Abreise brach endlich heran. Ein silberner Vollmond stand hoch am Himmel. Unzählige Sterne funkelten. Als Sarah mit Margaret zum Stall schlich, bedauerte sie, dass sie Haversham keine Nachricht hinterlassen konnte. Aus der Neuen Welt würde sie ihm sofort schreiben. Natürlich hatte sie auch keinen Brief an Edward hinterlegt. Am letzten Morgen war er zur Jagd gegangen und noch nicht zurückgekehrt. Deshalb verlief die mitternächtliche Flucht nicht so hektisch wie befürchtet. Während die beiden Frauen nach Falmouth ritten, jede mit einer kleinen Reisetasche gerüstet, wuchs ihre Zuversicht. Und Margaret genoss das unglaubliche Abenteuer in vollen Zügen.
    So wie bei Sarahs erstem Ritt dauerte es zwei Stunden, bis sie den Hafen erreichten. Glücklicherweise trat ihnen niemand in den Weg. Der Zofe hatte sie ihre Angst vor Straßenräubern verschwiegen. Sonst wäre das Mädchen niemals mit ihr gekommen. Um ihren Schmuck und ein bisschen Geld vor Banditen zu verstecken, die vielleicht auftauchen würden, hatte sie alles in das Futter ihres Umhangs genäht.
    Auf dem Ritt durch Falmouth versetzten sie die Pferde in langsameren Trab. Sobald sie den Hafen erreichten, entdeckte Sarah die
Concord,
die viel kleiner war, als sie vermutet hatte. Der voll getakelte Zweimaster wirkte nicht einmal stabil genug, um den Kanal zu überqueren - geschweige denn den Atlantik. Verwirrt starrte Margaret das Schiff an. Sarah hatte dem jungen Mädchen noch immer nicht verraten, wohin die Reise ging, und nur erklärt, es würde die Eltern sehr lange nicht sehen. Doch die Zofe hatte versichert, das würde sie nicht stören. Offenbar würden sie nach Frankreich segeln, trotz der Unruhen, die dort herrschten, und sie konnte es kaum erwarten, ein fremdes Land zu sehen. Allzu aufmerksam hörte sie nicht zu, während ihre Herrin mit dem Kapitän sprach, der ihr ein kleines Vermögen zu überreichen schien. Er war ein ehrlicher Mann und gab ihr das Geld, das er von einem bekannten Londoner Juwelier erhalten hatte, abzüglich des Preises für die Passage.
    Nachdem Sarah ihm gedankt hatte, fragte Margaret in fröhlichem Ton: »Wie lange wird die Fahrt dauern?«
    Der Kapitän wechselte einen kurzen Blick mit Sarah. »Wenn wir Glück haben, sechs Wochen. Bei stürmischer See zwei Monate. So oder so - Ende Oktober müssten wir Boston erreichen.«
    Inständig hoffte Sarah, die Überfahrt würde glimpflich verlaufen. Wie auch immer - sie würde an Bord gehen, weil sie nichts zu verlieren hatte. Aber ihre Zofe starrte Captain MacCormack entsetzt an. »Boston? Ich dachte, wir segeln nach Paris … Oh, Mylady - auf einem so kleinen Schiff kann ich unmöglich nach Boston fahren. Da würde ich sterben!« Schluchzend umklammerte sie Sarahs Hände. »Bitte, zwingen Sie mich nicht dazu - ich flehe Sie an, schicken Sie mich zurück!«
    So etwas Ähnliches hatte Sarah befürchtet. Sie seufzte und schloss das Mädchen in die Arme. Obwohl es ihr widerstrebte, die weite Reise allein zu wagen, brachte sie es nicht übers Herz, Margaret an ihr Versprechen zu erinnern. »Beruhige dich! Niemals würde ich dich gegen deinen Willen in die Neue Welt mitnehmen. Aber du musst mir etwas schwö- ren. Erzähl niemandem, wohin ich reise - ganz egal, was Seine Lordschaft tut. Auch Mr. Haversham darfst du nichts verraten. Gib mir dein Wort!«
    Verzweifelt nickte Margaret. »Ja, ich schwöre es … Aber ich bitte Sie - gehen Sie nicht auf das Schiff! Sie werden ertrinken …«
    »Lieber ertrinke ich, bevor ich bei meinem Mann bleibe und dieses grässliche Leben weiterführe.« Ihre Wange, von Edwards Faust getroffen, schmerzte immer noch, und es hatte einige

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