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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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betrat die Kabine der Jordans. Entsetzt betrachtete sie Marthas aschfahles Gesicht, die glanzlosen Augen, die tief in den Höhlen lagen. »Martha …«, begann sie in sanftem Ton. Doch die Kranke schien nichts zu hören. »Bitte, meine Liebe, Sie müssen etwas trinken …« Fürsorglich hielt sie einen Löffel an Marthas Lippen und versuchte, ihr etwas Wasser einzuflößen. Aber es rann an der bleichen Wange hinab.
    In dieser Nacht saß Sarah stundenlang am Krankenlager und bemühte sich unermüdlich um Martha, die sie nicht erkannte und keinen einzigen Schluck Wasser zu sich nahm.
    Schließlich kam Seth in die Kabine, die müde Hannah auf den Armen. Er legte seine Tochter in die Koje, die er mit ihr teilte, und sie schlief sofort ein. Verzweifelt bemühte er sich mit Sarahs Hilfe, seiner Frau Wasser einzuflößen - ohne Erfolg. Am frühen Morgen sah es so aus, als würde sich das Unvermeidliche nicht verhindern lassen. Im vierten Monat schwanger, war Martha so geschwächt, dass sie ihr Baby vermutlich verlieren würde, falls es überhaupt noch lebte. Während die Sonne aufging, öffnete sie plötzlich die Augen und lächelte ihren Mann an, von tiefem Seelenfrieden erfüllt. »Danke für alles, Seth«, flüsterte sie und hauchte in seinen Armen ihr Leben aus.
    Noch nie hatte Sarah etwas so Trauriges mit angesehen, außer dem Verlust ihrer Babys. Kurz danach erwachte Hannah und wandte sich zu ihrer Mutter. Sarah hatte inzwischen Marthas Haar gekämmt und ihr einen ihrer eigenen Gazeschals um den Kopf geschlungen. Nun sah die Tote fast hübsch aus.
    »Geht's ihr besser?«, fragte das kleine Mädchen hoffnungsvoll. Martha wirkte so friedlich, als würde sie schlafen.
    »Nein, mein Liebes«, antwortete Sarah, die Augen voller Tränen. Sie hatte sich der Familie in diesen schweren Stunden nicht aufdrängen wollen. Aber Seth hatte sie inständig gebeten, in seiner Kabine zu bleiben. Nun erwartete sie, er würde mit seiner Tochter sprechen. Doch er fand keine Worte und schaute Sarah flehend an. »Jetzt ist sie im Himmel, Hannah«, fügte Sarah mit brüchiger Stimme hinzu. »Sieh doch, wie sie lächelt - sie ist bei den Engeln
…«So wie meine Babys.
»Tut mir so Leid«, flüsterte sie, von schmerzlicher Trauer um die Frau erfüllt, die sie kaum gekannt hatte. Niemals würde Martha nach Ohio zurückkehren, niemals mit ansehen, wie ihre Tochter heranwuchs.
    »Ist sie tot?«, fragte Hannah, schaute mit großen Augen von Sarah zu ihrem Vater, und beide nickten. Da begann sie um die Mutter zu weinen.
    Behutsam kleidete Sarah das Kind an, und sie gingen zu dritt an Deck, wo Seth den Kapitän fragte, was mit Martha geschehen sollte. MacCormack schlug vor, man solle sie bis zu Mittag in seiner Kajüte aufbahren und dann eine Seebestattung arrangieren. Schweren Herzens nickte Seth. Er wusste, seine Frau wäre lieber auf der Farm in Ohio oder bei ihrer Familie in England begraben worden. Doch er hatte keine Wahl. Der Kapitän sagte unverblümt: »So Leid es mir tut - wir können sie unmöglich an Bord liegen lassen, bis wir Boston erreichen.«
    Zwei Seeleute trugen die Leiche in die Kapitänskajüte und hüllten sie zusammen mit ein paar Steinen in ein Tuch. Zu Mittag wurde sie mittschiffs auf eine Planke gelegt. Der Kapitän sprach ein Gebet, und der Priester las ein paar Verse aus dem Psalter vor. Langsam wurde ein Ende der Planke angehoben, und die Leiche glitt ins Meer hinab. Innerhalb weniger Sekunden verschwand sie in den Wellen.
    Stundenlang schluchzte die kleine Hannah in Sarahs Armen. Nachdem das Kind endlich erschöpft eingeschlafen war, ging sie an Deck, um mit Seth Jordan zu sprechen. Ihr Kopf schmerzte, und sie hätte sich lieber hingelegt. Aber sie empfand großes Mitleid mit dem armen Witwer, und sie hoffte inständig, die traurige Fahrt würde bald ein Ende finden. Vielleicht würden sie nächste Woche oder in zehn Tagen Boston am Horizont sehen.
    »Wenn Sie wollen, können Sie uns nach Ohio begleiten«, bot er ihr etwas unbeholfen an, und sie war gerührt über seine Einladung. Während der letzten Wochen hatte sie die Jordans, insbesondere Hannah, ins Herz geschlossen.
    »Vielen Dank, aber ich glaube, ich werde in Massachusetts bleiben«, erwiderte sie lächelnd. »Besuchen Sie mich auf meiner Farm, wenn ich eine finde.«
    »In Ohio ist das Land wesentlich billiger«, betonte er. Das wusste Sarah, doch sie hatte gehört, im Westen sei das Leben viel schwieriger und die Indianer würden sich nicht so friedlich

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