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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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verhalten wie an der Ostküste. »Vielleicht kommen Sie irgendwann zu uns«, fügte Seth hoffnungsvoll hinzu, und sie nickte. Dann bot sie ihm an, Hannah für die Nacht in ihrer Kabine aufzunehmen. Aber er wollte in diesen schweren Stunden seine Tochter nicht missen.
    Während der nächsten Wochen klammerte sich das kleine Mädchen an Sarah, weinte heftig um die Mutter, und Seth sah mit jedem Tag unglücklicher aus.
    Eines Abends klopfte er an Sarahs Tür, nachdem das Kind in seiner Kabine eingeschlafen war. Hastig zog sie einen Morgenmantel aus blauer Seide über ihr Nachthemd und ließ ihn eintreten. »Vielleicht klingt mein Vorschlag etwas seltsam«, begann er verlegen. »Seit Marthas Tod habe ich darüber nachgedacht …« Seine Stimme drohte zu brechen, und Sarah ahnte, was er ihr sagen wollte. Daran hätte sie ihn am liebsten gehindert. Doch sie wusste nicht, wie. »Gewissermaßen sind wir beide in der gleichen Situation. Ich meine - Martha ist gestorben, und Sie haben Ihren Mann verloren. Da gibt's nur einen einzigen Unterschied - ich muss für Hannah sorgen. Und das schaffe ich nicht allein.« In seinen Augen glänzten Tränen. »Jetzt ist sie mein Lebensinhalt … Ich weiß, das ist nicht die richtige Art und Weise, Sie darum zu bitten, Sarah - aber, würden Sie mich heiraten und uns nach Ohio begleiten?«
    Erst seit zehn Tagen war Martha tot. Im ersten Augenblick war Sarah sprachlos. Gewiss, sie bedauerte den armen Mann, aber nicht genug, um ihn zu heiraten. Was er brauchte, war ein Mädchen, das auf der Farm für ihn arbeitete -oder eine Frau, die gern in Marthas Fußstapfen treten würde. Vielleicht eine Freundin in Ohio oder eine
richtige
Witwe. »Das kann ich nicht, Seth«, erwiderte sie entschieden.
    »Doch. Hannah liebt Sie. Vielleicht sogar mehr als mich. Und wir würden uns bald aneinander gewöhnen. Anfangs würde ich nicht zu viel von Ihnen erwarten. Ich weiß, es kommt etwas plötzlich, aber - wir landen demnächst in Boston, und ich musste Sie einfach fragen.« Mit bebenden Fingern berührte er ihren Arm.
    »Tut mir Leid, es ist unmöglich. Aus mehreren Gründen. So sehr mir Ihr Antrag auch schmeichelt, ich darf ihn nicht annehmen.« Ihr Blick verriet ihm, wie ernst sie es meinte. Wenn er auch ein guter, anständiger Mann war und Hannah ein liebenswertes Kind, Sarah wollte sich ein eigenes Leben aufbauen. Deshalb reiste sie in die Neue Welt. Außerdem war sie nach wie vor verheiratet.
    »Verzeihen Sie mir. Wahrscheinlich hätte ich nicht wagen dürfen, um Ihre Hand zu bitten … Ich dachte nur - weil wir beide verwitwet sind …« Dunkel stieg ihm das Blut in die Wangen. Dann wandte er sich ab, um die Kabine zu verlassen.
    »Schon gut, Seth, das verstehe ich«, versicherte sie und schloss die Tür hinter ihm. Seufzend sank sie in ihre Koje. Höchste Zeit, dass wir Boston erreichen, dachte sie. Nun waren sie schon so lange an Bord. Viel zu lange.

11
    Letzten Endes dauerte die Überfahrt genau sieben Wochen und vier Tage. Der Kapitän erklärte, er hätte die Reise verkürzen können. Wegen der zahlreichen Stürme sei er aber lieber vorsichtig gewesen und wäre langsam gesegelt. Beim Anblick der amerikanischen Küste vergaßen die Passagiere alle Unannehmlichkeiten. Jubelnd eilten alle an Deck. Vor fast zwei Monaten hatten sie England verlassen. Und nun, am 28. Oktober 1789, sahen sie den hellen Sonnenschein über Boston.
    Fröhlich und aufgeregt gingen sie von Bord. Am Kai fühlten sie sich zunächst etwas unsicher, als sie zum ersten Mal nach so langer Zeit wieder festen Boden unter den Füßen spürten. Reges Leben und Treiben erfüllte den Hafen. Fasziniert schaute Sarah sich um und beobachtete Siedler und Soldaten, Händler, die ihre Waren anpriesen, und Vieh, das man auf Schiffe verfrachtete oder von Bord trieb. Karren wurden beladen, Passagiere stiegen in wartende Kutschen. Fürsorglich brachte der Kapitän Sarahs Gepäck an Land und winkte einen Mietwagen heran, um sie zu der Pension bringen zu lassen, die er ihr empfohlen hatte.
    Abraham Levitt verabschiedete sich höflich von Sarah. Auch der Apotheker, der Priester und mehrere Seeleute schüttelten ihr die Hand. Und dann schlang die arme kleine Hannah beide Ärmchen um ihre Beine und flehte sie an, bei ihr zu bleiben. Sarah erwiderte so behutsam wie möglich, nun müssten sie sich leider trennen, und versprach ihr zu schreiben. Ganz fest drückte sie das kleine Mädchen an sich und küsste es, bevor sie sich zu Seth wandte. In ihrer

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