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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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hingestellt. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Ich starre auf das dunkle Haus. Na los. Geh schon. Rein mit dir.
    Gleich.
    Was, wenn ich für die Menschen, die ich liebe, der Tropfen bin, der das Fass zum Überlaufen bringt, und nicht der Böttcher, der rechtzeitig den Spind zieht. Oder wie das heißt. Was, wenn ich alles immer nur noch schlimmer mache und nicht besser. Und jetzt ist Onkel Thoby zu allem Überfluss auch noch in England, wo er von Toff und Großmutter als Geisel gehalten wird. Aber vielleicht geißelt ihn ja auch der Zoll und lässt ihn nicht telefonieren. Und ich bin schuld daran, weil ich seinen Stresslevel erhöht habe, statt ihn zu senken.
    Und weil ich eingeschlafen bin und ihn nicht aufgehalten habe.
    Genau das haben ich und mein Dad immer befürchtet, auch wenn er das niemals zugegeben hätte: dass Onkel Thoby nach England zurückgeht. Und wir ihn verlieren. Weil er sich vorkam wie ein Preis, den wir zufällig in der Lotterie gewonnen hatten. Nach unserer dritten Fahrt zum Flughafen hatten wir schlicht und einfach Schwein gehabt.
     
    Eines Tages, als mein Dad bei der Arbeit war, bat ich Onkel Thoby, mich zum Stall hinauszufahren. Ich wusste, dass er weder Auto fahren konnte noch wollte. Trotzdem fragte ich ihn. Warum. Weil er mir damit in den Ohren gelegen hatte, wie »effizient« die Londoner U-Bahn doch sei, was wiederum den Schluss nahelegte, dass unsere Metrobusse »ineffizient« waren, und das konnte ich unmöglich durchgehen lassen. Wir haben schließlich Clint. Die Qantas unter den Taxis.
    Ja, ja. Clint ist ein Juwel. Aber du würdest die U-Bahn lieben, Odd. Geheime Tunnels. Wie Heizungsschlitze. Die dich bringen, wohin du auch willst. Wenn du eines Tages verreist, wirst du schon sehen.
    Ich will aber nicht verreisen.
    Jetzt lag er auf dem Sofa und las ein Buch über London und die Londoner. Auch das konnte ich unmöglich durchgehen lassen. Also schlüpfte ich in meine Reitmontur, stampfte ins Wohnzimmer und bat ihn, mich zum Stall hinauszufahren.
    Er legte sich das Buch mit aufgeschlagenen Flügeln auf die Brust. Vielleicht fährt Verlaine dich nach der Arbeit.
    Nein, du.
    Ich kann nicht.
    Ich warf ihm die Schlüssel in den Schoß. Sie landeten unter der Gürtellinie. Autsch. Das Buch rutschte ihm von der Brust.
    Ich kann nicht, Odd.
    Gut, dann fahre ich eben mit dem Rad.
    Obwohl ich unmöglich mit dem Rad zum Stall fahren konnte. Der Stall war draußen beim Flughafen, um Himmels willen. Trotzdem marschierte ich auf die Veranda und stieg auf mein Rad, als sei es Rambo.
    Wenn du unbedingt fahren willst, sagte Onkel Thoby, rufe ich rasch bei Clint an.
    Ich schielte unter meinem Schirm hervor. Ich will aber, dass du mich fährst.
    Ich kann dich aber nicht fahren, Liebes.
    Wohl.
    Ein für alle Mal: Nein.
    Wie du willst. Ich strampelte die Verandatreppe hinunter.
    Oddly.
    Ich schaltete auf Durchzug.
    Wie es das Schicksal wollte, setzte Jim Ryan just in diesem Augenblick aus seiner Einfahrt. Er sah mich nicht. Ich musste eine Vollbremsung hinlegen. Seine Stoßstange verfehlte mich um Armeslänge. Sie streifte praktisch meinen Reifen. Zuerst hätte ich am liebsten die Hand ausgestreckt und der Stoßstange einen kräftigen Schlag versetzt. Stattdessen streckte ich die Hand aus und hielt mich an ihr fest. He, Freifahrt, dachte ich.
    Nicht, hörte ich Onkel Thoby sagen.
    Doch, dachte ich bei mir.
    Ich wurde gezogen und brauchte nicht zu strampeln. Ich musste nur aufpassen, dass ich nicht aus dem Gleichgewicht geriet. Die eine Hand am Lenker, die andere um Jim Ryans Heckstoßstange. Datsun. Bronzefarben. Am Ende des Wednesday Place wendeten wir. Gar nicht so einfach. In die Kurve legen. Und noch einmal. Jetzt sausten wir den Blackbog Drive entlang, vorbei am Civil Manor und der Piety-Pie-Fabrik. Eine Nase Kuchenduft. So schnell war ich mit dem Rad sonst nie. Die Straße jagte unter mir dahin wie unter dem Loch in Verlaines Auto.
    Ich nahm eine aerodynamische Haltung ein.
    Autos hupten. Jim glaubte, sie wollten ihn freundlich grüßen. Er hupte zurück.
    Sie zeigten auf mich.
    Er zeigte auf sie.
    Du hast eine Ex-Biografin am Arsch hängen, Jim. Mit einem englischen Reithelm auf dem Kopf.
    Wir wurden immer schneller. Jetzt erst kam ich auf die Idee, mich zu fragen, wohin Jim Ryan wohl fuhr. Ähm. Zum Stall wohl kaum. Nein, auf keinen Fall. Ob er überhaupt wusste, wo der Stall war. Nein. Er wollte vermutlich zur Trans-Canada. Die trotz ihres Namens nicht quer durch Kanada verlief, schließlich

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