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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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Unterschied.
    Eben. Schaukel, schaukel. Was will sie mir damit sagen. Dass Wedge nicht Wedge ist. Dass Wedge gar nicht Wedge sein kann. Das will sie mir damit sagen.
     
    Glaubt Sie im Ernst, ich würde meine eigene Maus nicht kennen. Ich, die ich Wedge eigenhändig wieder aufgepäppelt habe, nachdem er beinahe in einem Canadian-Tire-Fass ertrunken wäre. Ich, die ich fast mein ganzes Leben lang Seite an Seite mit ihm unter einem Dach gehaust habe. Das wäre, als ob Verlaine Rambo nicht von, sagen wir, Sylvester Stallone unterscheiden könnte.
    An dem Tag, als wir Wedge mit nach Hause nahmen, fror und zitterte er, deshalb setzten wir ihn in eine kleine, mit Kleenex ausgeschlagene Schachtel. Er mümmelte sich ein. Dann stellten wir die Schachtel unter eine Schreibtischlampe, damit er es mollig warm hatte. Er wollte nicht fressen, und so fütterte ich ihn mit Milch aus einem Augentropfer.
    Mein Dad warnte mich, mit Wedge stimme etwas nicht. Er sei irgendwie nicht ganz normal.
    Wedge wurde gern auf den Arm genommen. Also nahm ich ihn mehrmals täglich auf den Arm. Mein Dad sagte, jüngste Untersuchungen (nicht seine) hätten ergeben, dass Mäuse, die in jungen Jahren häufig liebkost und geknuddelt werden, länger leben. Er wusste nicht recht, ob er das glauben sollte. Er hielt nichts davon, Versuchstiere zu knuddeln. Aber sie mit einem Handtuch hinter den Ohren abzutrocknen, sodass sie ganz verträumt werden vor Glück, dagegen hast du nichts.
    Das ist ja auch etwas ganz anderes.
    Nämlich.
    Jedenfalls nicht knuddeln.
    Manchmal waren die Milchtropfen so groß, dass Wedge sie nicht schlucken konnte, und die Milch kleckerte auf seine Barthaare. Ich weiß noch, wie seine Nase aussah, wenn sie feucht war. Ich weiß, wie seine Augen aussahen, wenn er sie geschlossen hielt. Ich weiß, dass er keine Augenbrauen hatte.
    Nach zwei Wochen ging es ihm allmählich besser, und er kletterte das erste Mal aus seiner Schachtel. Also verlegten wir ihn ins Terrarium.
    Von dort hatte er das ganze Wohnzimmer im Blick, und er kratzte sich am Kopf und überlegte, wie man die Möbel umstellen könnte.
    Wie er sich an seiner Wasserf lasche festhielt, damit er nicht umfiel. Wie er mit den Händchen fuchtelte. Wie er seinen Pony toupierte, wenn wir Gäste hatten. Wie er Geige spielte, wenn der Name Byrne Doyle fiel.
    Wenn Wedge nicht Wedge wäre, wüsste ich das.
    Die 18 auf seinem Ohr nicht zu vergessen.
     
    Du musst mich in Dr. O’Leerys Labor einschmuggeln, sage ich zu Verlaine. Damit ich ihn von meiner Liste streichen kann. Als Erstes muss ich die hiesigen Verdächtigen ausschließen.
    Sie sieht mich zweifelnd an. Und dann.
    Wedge war topfit. Ein normales Mäuseherz schlägt circa 700 mal in der Minute. Wedge hat es geschafft, seine Herzfrequenz auf 500 bpm zu reduzieren. Erstaunlich.
    Mein Puls liegt bei 61. Im Ruhezustand. Wenn ich mit Vollgas um die Veranda sprintete, stieg er auf 75. Mein Dad brachte mir bei, wie man die Herzfrequenz berechnet, und eine Zeit lang drehte sich bei mir alles um die HF. Meine eigene und die anderer.
    Wie hoch ist dein Ruhepuls, fragte ich jeden, der ruhte und seine Ruhe haben wollte. Soll ich mal fühlen.
    Mein Dad sagte, Wedges Gene seien mit den unseren weitgehend identisch. So gebe es zum Beispiel die Familie der sogenannten tinman-Gene, und dreimal dürfen Sie raten, was diese Gene bauen. Genau. Herzen. Stellen Sie sich ein winziges Männchen mit Bauarbeiterhelm vor. Und nun stellen Sie sich vor, wie es den Spaten in Ihrem Herzensgrund versenkt und sagt: Hier bauen wir ein Herz.
    Bei Wedge sagt der kleine Bauarbeiter: Hier bauen wir ein Mäuseherz.
    Und bei mir sagt er: Hier bauen wir ein Menschenherz.
    Mein Dad meinte, es sei durchaus denkbar, dass sich der kleine Bauarbeiter austricksen oder verändern lässt.
    Die Gene von Menschen und Mäusen stimmen zu 80 Prozent überein. Genetisch stehen wir den Mäusen näher als Katzen, Hunden oder Pferden. Trotzdem, wenn man mich mit dem Nudelholz plattwalzen würde – mein Herz, mein Gehirn, meine Zellen, alles, millimeterdünn gewalzt -, würde ich eine Fläche von circa 80 Hektar bedecken und Wedge ungefähr einen halben. Immerhin.
    Mein Dad sagte, meine Herzschläge verhielten sich zu Wedges Herzschlägen wie ganze Noten zu Achtelnoten. Das verstand ich nicht. Er sagte: Sagen wir so. Wedges Herz füllt die Lücken in deinem Herzen.
    Diese Vorstellung gefiel mir.
    Er sagte: Es gibt aber auch Tiere, deren Herz sehr langsam schlägt.
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