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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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unter die Achsel klemmt – das ist tatsächlich furchtbar traurig. Er wartet darauf, dass ihm jemand sagt, er sei kein Trottel. Dass ihm jemand sagt, er stelle etwas dar. Und habe auch noch andere Rollen im Repertoire als diesen Armleuchter Antonio, der nicht weiß, wer er ist, weil er gleich drei Dramatis Personae in sich vereint (sich selbst hoch drei). Und wenn er denn eines Tages sterben muss – heute, morgen, irgendwann -, so lasst uns hoffen, dass ihm sein Tod nicht gar zu dumm geraten wird.
    Wenn man Chuck glauben darf, gab Shakespeare sämtlichen Figuren, die ihn nicht weiter interessierten, ähnlich klingende Namen. Aber Hamlet. Wenn das kein ausgefallener Name ist. Und hieß so ähnlich nicht auch Shakespeares abgöttisch geliebter Sohn, dessen allzu früher Tod den Schwan von Stratford zeit seines – selbst recht kurzen – Lebens grämte. Wie ich Im Bett mit Macbeth entnommen habe.
    Draußen regnet es, und was denkt Chuck. Dass er über Bend und Boring, ja über Oregon wohl nie hinauskommen wird. Er öffnet das Fenster. Klettert auf die Heizung und lehnt sich hinaus. He. Leider habe ich gerade kein Salatblatt zur, äh, Hand, das ich fallen lassen könnte. He. Sei doch kein Dummkopf hoch zwei. Komm wieder rein.
    Ach. Er raucht bloß. Er verstößt wissentlich gegen Lindas Regel und raucht, indem er sich, wie üblich, recht weit aus dem Fenster hängt.
    Meinetwegen. Trotzdem. Wenn man sich so weit aus dem Fenster lehnt, nicht gerade wie eine Schildkröte gebaut ist (sodass auch der Rest des Körpers mühelos durchs Fenster passen würde) und sich noch dazu drei oder vier Stockwerke über dem Erdboden befindet, kann es meiner Meinung nach nicht schaden, ein Klettergeschirr anzulegen. Und fest angeseilt zu sein. Selbst Cliff, für den die Sicherheit sicherlich nicht an erster Stelle stand, war der Rolle, die er im richtigen Leben zu spielen hatte, nie auch nur annähernd so überdrüssig, dass er darauf verzichtet hätte, sich ordentlich anzuseilen, bevor er sich von der Feuerleiter abseilte. Aber Cliff war natürlich auch ein Equipmentfreak. Sprich jemand, den eine innige Liebe mit seiner Ausrüstung verband. Oft schlief er sogar in seinem Klettergeschirr .
    Manchmal muss man natürlich in seinem Klettergeschirr schlafen, zum Beispiel wenn man in Begleitung eines zweiten Kletterers mit Gewalt eine mächtige Felswand bezwingen will. Wenn die mächtige Felswand so gewaltig ist, dass sie an einem Tag nicht zu bezwingen ist, muss man eine spezielle Hängematte im Fels verankern, damit man auch in circa 37 000 Fuß Höhe bequem übernachten kann, und Unmengen von Power Bars verdrücken, bis die Sonne morgens auf die Hängematte fällt und einen weckt. Was Cliff gleich mehrmals tat.
    Nicht dass ich Cliff bei einem seiner Kletterabenteuer je begleitet hätte. Aber einmal habe ich einen Kletter ausflug mitgemacht. Wir quetschten uns zu fünft in Cliffs Wagen (Cliff und Audrey vorn, Chuck und Linda hinten, ich auf dem AB) und verbrachten einen Tag am Lake Soupçon, dessen Name aus Audreys Mund reichlich suspekt klang, während die anderen in einem fort von einem leckeren Süppchen zu schwärmen schienen.
    Zweck der Übung war es, Chuck die Grundlagen des Kletterns beizubringen. Obwohl ich davon überzeugt bin, dass Chuck eigentlich nur lernen wollte, wie man sich abseilt. Weil er insgeheim davon träumte, sich auf Bühnen abzuseilen, auf denen er nichts verloren hatte, weil er in dem Stück, das dort gegeben wurde, im wahrsten Sinne des Wortes keine Rolle spielte.
    Lake Soupçon ist ein flacher Kratersee, der an eine Suppenschüssel erinnert, mit Wänden, die selbst ein Neuling leicht zu bewältigen vermag. Sie sind nicht so hoch, dass man in ihnen übernachten müsste. Im Gegenteil. Wenn man oben ein Seil verankert hat, kann man daran Klettern und Abseilen üben bis zum Überdruss. Cliff hätte die Wände von Lake Soupçon im Schlaf erklimmen können. Was war diese Suppenschüssel schon gegen die Jalpen. Chuck, mit seinen dürren Ärmchen, hatte es da schon etwas schwerer. Denn obwohl Cliff oft und gern das Gegenteil behauptete, sind die Arme beim Klettern durchaus von Bedeutung. Will sagen, ohne raffinierte Prothesen könnte ein Armloser schwerlich einen Berg besteigen. Cliff wollte natürlich zum Ausdruck bringen, dass es beim Klettern vor allem auf die Beine ankommt. Man muss die Felswand hinauf gehen , selbst wenn sie senkrecht aufragt, statt sich mit den Händen hochzuziehen. Comprenez.
    Unterdessen

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