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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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spindeldürr. In dem Artikel stand, er praktiziere strikte Kalorienrestriktion. Anscheinend bringt beschränkte Nahrungszufuhr den Körper erst so richtig in Fahrt. Mit Hoffnung als Motor. Außerdem erhöht sich dadurch die körperliche Aktivität. Man entdeckt enorme Vorräte an ungenutzter Energie. Daher der unentwegte Hamsterdrang des Körpers.
    Fressgierig ist das richtige Wort für seinen Blick.
    Er lässt das KitKat in seinem Beutel verschwinden.
    Das also ist der Erzfeind von meinem Dad.
    Ja, sagt er, er habe meinen Dad recht gut gekannt. Sie hätten zusammen studiert. Einmal hätten sie sich zu Halloween als Watson und Crick verkleidet. Aber das sei ewig her.
    Und hatten Sie noch Kontakt.
    Nur in Form von Veröffentlichungen. Ich habe die Arbeit Ihres Vaters aufmerksam verfolgt.
    Ach ja. Er Ihre nicht.
    Er sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an, als fände er mich irgendwie komisch. Okay, Audrey. Sie sagten etwas von einer zwanzig Jahre alten Maus.
    Als ich am Telefon erwähnte, ich hätte eine Maus, die fünf Mal so alt ist wie die älteste Maus im Humouse House, brach er nicht in schallendes Gelächter aus. Er sagte gar nichts und lud mich stattdessen zum Mittagessen ein.
    Jetzt erzähle ich ihm alles über Wedge. Wie niedrig seine Herzfrequenz und wie kräftig sein Oberkörper sei. Dass er eine Glühbirne zum Glühen bringen könne. Dass ein Belgier, vermutlich sein, Tigrels, Komplize, zur Beerdigung von meinem Dad gekommen sei, und nun sei Wedge verschwunden.
    Er nickt, als habe er nichts anderes erwartet. Dann sagt er: Es gibt keine zwanzig Jahre alten Mäuse, Audrey. Nein – er hebt die Hand -, ich will es anders ausdrücken. Vor zwanzig Jahren verfügten wir noch nicht über die nötige Technologie, um das Leben einer Maus um das Doppelte, geschweige denn das Fünf- oder Sechsfache zu verlängern. In zwanzig Jahren werden wir zwanzig Jahre alte Mäuse haben.
    Mein Dad hatte die Technologie.
    Ausgeschlossen.
    Und wenn doch. Angenommen, Sie würden in den Besitz einer zwanzig Jahre alten Maus gelangen, zum Beispiel über einen belgischen Komplizen, könnten Sie dann feststellen, wie alt sie ist.
    Seine Augen leuchten. Als sei urplötzlich ein KitKat am Horizont erschienen. Ja, sagt er.
     
    Das Humouse House war ursprünglich ein Drosophila-melanogaster -Zentrum.
    So eins hatten wir auch.
    Leider sind Fruchtfliegen nicht unbedingt geeignet, die Fantasie der Öffentlichkeit zu beflügeln.
    Da bin ich anderer Ansicht.
    Die Spendabilität privater Sponsoren beflügeln sie jedenfalls nicht. Niemand hat auch nur das geringste Interesse daran, das Leben einer Fruchtfliege zu verlängern. Wenn man hingegen unverhohlen von menschlicher Unsterblichkeit spricht, und das nicht etwa im übertragenen Sinne, sondern von echter menschlicher Unsterblichkeit, dann werden die Leute nervös. Aber eine Maus. Eine Maus ist in Ordnung. Eine Maus ist niedlich. Wir haben Micky. Wir haben Mighty. Und wir haben Wedge, setzt er hinzu und prostet mir zu.
    Bier Nummer drei.
    Um Ihre Frage zu beantworten, sagt er – dabei habe ich gar keine gestellt -, ich verstehe das durchaus. Denken Sie doch nur einmal daran, welchen Aufwand wir getrieben haben, um mit dem Tod fertig zu werden, wie man so sagt. Religion und Kunst, und das seit Tausenden von Jahren. Und dann kommt plötzlich so ein bärtiges Kerlchen daher und sagt, es war alles umsonst. All die geistigen Purzelbäume über dem Abgrund. Überflüssig. Oder sagen wir so. Stellen Sie sich vor, sie werden von einem Mann mit Pistole verfolgt und finden sich am Rande einer hohen Klippe wieder. Sie können entweder springen oder sich erschießen lassen. Sie beschließen zu springen. Und kaum haben Sie diesen Entschluss in die Tat umgesetzt und rudern hilflos mit den Beinen, sagt jemand am Rand der Klippe – nicht der Mann mit der Pistole, sondern ein freundliches Kerlchen mit Bart: Ach übrigens, das hätten Sie sich sparen können.
    Er hält inne.
    Ich hätte wahrscheinlich nicht übel Lust, das bärtige Kerlchen zu erschießen, sage ich.
    Leonel de Tigrel lacht und zieht ein Papiertaschentuch aus dem Ärmel. Also, mir hätte es vollauf genügt, wenn Sie ihn einen Quatschkopf nennen. Aber gut. Wenn Sie ihn lieber erschießen möchten. Da plötzlich. Auftritt: die Maus. Die Maus versetzt Sie blitzartig in das natürlich -Stadium. Im natürlich -Stadium wird Ihnen bewusst – oder, besser, erinnerlich -, dass man natürlich gar nicht sterben muss. Hatten Sie nicht schon immer den

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