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Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman

Titel: Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Grant
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noch dass sie sich einsam fühlten. Leute, die sich Sorgen machen, haben accent-circonflexe -Augenbrauen. Nein, sie schmiedeten heimlich Pläne. Sie wollten uns das Haus wegnehmen und Onkel Thoby und, wer weiß, vielleicht auch meinen Dad nach England entführen. Und wer würde allein zurückbleiben. Ich. Die Kanadierin.
    Direktor Grün.
    Ja.
    Kommst du mit rein.
    Nein. Aber ich bleibe dans les environs .
    Ich stieg die Verandatreppe hinauf und winkte ihm zum Abschied. Er hatte die Kapuze hochgezogen. Ich sah ihm nach, wie er den Uferweg entlangging. Wedge rumorte in seiner atmungsaktiven Tasche. Ich lehnte mich gegen das Haus und zählte bis 60. Dann nahm ich die Verfolgung auf.
    Er ging nicht zurück ins Civil Manor, denn er ließ den Blackbog Drive links liegen und bog stattdessen in die Manche Street. Oh. Er wollte ins Bebe’s in der Manche Street.
    Ich duckte mich hinter ein geparktes Auto. Dann schlich ich mich möglichst unauffällig an und spähte durchs Fenster. Im Bebe’s gab es einen offenen Kamin. Das Feuer loderte im Bauch meines Spiegelbildes und erinnerte mich an einen Werbespot für Tabletten gegen Sodbrennen. Ich hängte mir Wedge über die Schulter, benutzte die Hände als Scheuklappen und starrte auf den Billardtisch. Clint beugte sich im Lichtkegel über den Filz und wollte eben einen Stoß anbringen, als Onkel Thoby hereinkam und seine Kapuze absetzte. Clint richtete sich auf und sagte etwas. Er lächelte, aber dann sah er Onkel Thobys Gesicht und hörte auf zu lächeln. Er rief etwas und zeigte auf Onkel Thoby.
    Ich trat den Rückzug an.
    Ein Clint’s Cab stand am Straßenrand.
     
    Zimmer 205 sah genauso aus wie Zimmer 203, nur dass der Teppich ein frisches Staubsaugermuster hatte. Ich öffnete das Fenster. Es hatte aufgehört zu regnen. Die Brautschleiergardinen bauschten sich im Wind. Das E in PIETY auf der anderen Straßenseite flackerte.
    Ich machte den Fernseher an und suchte das Programm, das Doreen eingeschaltet hatte, aber es gab nur zwei Programme, beide ohne Dinosaurier. Doreen hatte mehr Programme.
    Es war kinderleicht gewesen. Ich war hineingegangen. Hatte die Kapuze abgesetzt. Und Hallo, Doreen gesagt. Doreen hatte sich in ihrem Ohrensessel vorgebeugt. Ach, hallo, Schätzchen. Und sich wieder zurückgelehnt. Ich dachte, ein Ohrensessel ist wie ein kleines Zimmer, dem eine Wand fehlt. Im Fernseher sagte jemand: Die Dinosaurier lernten fliegen, indem sie immer langsamer von den Bäumen fielen.
    Was ich, trotz meiner Nervosität, bemerkenswert und wichtig fand. Also: abspeichern. Ich fackelte nicht lange. Ich ging hinter den Tresen, stellte mich auf die Zehenspitzen und schnappte mir den Schlüssel von Zimmer 205. Ein Klacks.
    Es ist wirklich nicht schwer, im Civil Manor Gast zu werden.
    Ob ich einen Plan hatte. Irgendwie schon. Ich wollte warten, bis Onkel Thoby aus dem Bebe’s wiederkam, worauf ich:
    a. in den Gang hinausspringen und laut Aha! rufen wollte, wenn er die Tür aufmachte, oder
    b. seinen Namen in den Heizungsschlitz sagen wollte, wenn er es sich gemütlich gemacht hatte, oder
    c. einfach nebenan schlafen und in seiner Nähe bleiben wollte.
    Bis dahin war ich Hotelgast und wollte mich auch wie einer benehmen. Ich hängte meinen Mantel auf und zog meine Turnschuhe aus. Ich ließ Wedge aus der Tasche. Ich hüpfte auf dem Bett herum. Ich packte die Seife im Badezimmer aus und probierte ein Stück. Ich trat ans Fenster und schnupperte. Es duftete nicht mehr nach Kuchen.
    Wedge kullerte vorbei.
    Hoppla, dieses Zimmer kommt mir irgendwie bekannt vor.
    Das könnte daran liegen, dass es genauso aussieht wie das nebenan.
    Ach.
    Ich sah mich um. Ich war noch nie allein gewesen, ganz allein, ohne dass jemand wusste, wo ich war. Es war aufregend. Aber auch ein bisschen unheimlich. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass ich totipotent war. Totipotent nannte mein Dad mich immer, wenn ich eine schlechte Note aus der Schule mit nach Hause brachte. Es bedeutet: dass im Grunde alles aus mir werden konnte, was zum Repertoire gehörte.
    Repertoire.
    Also. Zum Beispiel. Meerjungfrau konnte ich nicht werden. Weil das nicht zum Repertoire gehörte.
    Gast im Civil Manor hingegen gehörte offenbar zum Repertoire.
    Ich stand eine Weile am Fenster und wartete. Ich dachte, er würde jeden Moment kommen. Bis auf den PIETY-Schriftzug war es jetzt dunkel. Wer den PIETY-Schriftzug nicht kennt, weiß nicht, was pink ist. Ich glaube, Piety hat dieses Pink erfunden. Und wenn der Himmel hinter dem

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