Die erstaunlichen Talente der Audrey Flowers: Roman
Weise verbindet wie ein Heizungsschlitz. Und nichts wünsche ich mir sehnlicher als einen Heizungsschlitz, in den ich Onkel Thobys Namen sagen kann.
Toff hebt den Kopf. Langsam. Und sieht zu mir herauf. Als hätte er die ganze Zeit gewusst, dass ich über ihm an der Decke schwebe, was ihn jedoch mitnichten davon abgehalten hat, erst einmal seinen Artikel zu Ende zu lesen. Ich zeige auf Onkel Thoby. Holst du ihn mir her.
Er krault sich den Bart. Und widmet sich wieder seiner Zeitung.
Ich haue mit der flachen Hand gegen die Scheibe. Warum. Warum macht er das.
Ein Mann, der die Aussicht, die ihm die Aussichtsplattform bietet, vermutlich weitaus erträglicher findet als ich, sagt: Verzeihung, aber halten Sie es für ratsam, sich auf die Scheibe zu legen.
Nein, aber es handelt sich um einen Notfall.
Oh. Na, dann will ich nicht weiter stören.
Ich schleiche die Fensterfront entlang. Wenn ich mich bewege, falle ich vielleicht eher auf. Ich komme mir vor wie eine Stepptänzerin. Dreh dich um, Onkel Thoby. Dreh dich um.
Er dreht sich nicht um. Jetzt gehen sie an Bord. Onkel Thoby greift mit seinem langen Arm nach seiner Tasche. Er sieht aus wie ein abgeschobener Flüchtling. Oder wie jemand, der vor Kurzem seinen Bruder verloren hat. Er und Toff bleiben jeder für sich. Die kanadische Armee steht zwischen ihnen.
Die Spürhunde bringen hoffentlich ein bisschen Leben in die Bude, meint jemand hinter mir. Am besten gelbe Labradore.
Ich sehe ihm nach, bis er verschwunden ist. Verschwunden worden ist.
I ch fahre im zweiten Gang nach Hause. Ich halte an jeder roten Ampel. Und an jeder grünen noch dazu. Was war das gerade. Ist Onkel Thoby entführt worden. Oder ist er von selbst auf die Idee gekommen, Großmutter zu besuchen. Warum hat er mich nicht geweckt. Weil er genau wusste, dass ich ihn nie und nimmer hätte gehen lassen. Weshalb er ja auch bei Nacht und Nebel ins Civil Manor gezogen ist.
Ja, aber das Civil Manor ist nicht London.
Was die beiden gestern Abend auf der Veranda wohl besprochen haben. Mit Flüsterstimmen.
Es klopft ans Fenster. Ich zucke zusammen.
Fröhliche Weihnachten und den Führerschein bitte.
Guten Morgen, Sheriff. Wie ist das werte Befinden.
Er schaut auf seine Uhr. Nachmittag.
Schon.
Gibt es einen bestimmten Grund, warum Sie mitten auf der Kreuzung stehen. Will der Wagen nicht.
Ich schüttele den Kopf. Ich sammle nur meine Gedanken.
Er wirft einen verstohlenen Blick auf den Zettel, der jetzt auf dem Beifahrersitz liegt. Mir scheint, Sie haben jede Menge Gedanken zu sammeln, sagt er.
Eigentlich nur ein oder zwei. Zwei, um genau zu sein.
Na, dann will ich mal nicht so sein. Aber hätten Sie wohl die Güte, die Warnblinkanlage einzuschalten, wenn Sie schon die Kreuzung blockieren.
Natürlich. Danke, Sheriff. Ich schalte die Warnblinkanlage ein. Und kurbele das Fenster hoch.
Wieder klopft er. Eins noch.
Ja.
Wo wollen Sie eigentlich hin, fragt er.
Und so begleitet er mich nach Hause. Was ich unglaublich nett finde. So muss ich nämlich nur seinen Rücklichtern hinterherfahren, bremsen, wenn er bremst, und Gas geben, wenn er Gas gibt. Ich brauche ihm bloß zu folgen. Ohne ihn wäre ich vermutlich nicht vor Mitternacht zu Hause angekommen.
Nicht so voreilig. Denn als ich schließlich zu Hause bin und die Tür mit einem kräftigen Nordwestschubs aufstoßen will, habe ich plötzlich den Messingknauf in der Hand. Ich versuche, ihn wieder anzuschrauben, aber er lässt sich nicht schrauben. Ich knie mich auf die Veranda. Immer langsam. Mit der Tür, meine ich. Immer langsam mit der Tür. Ich gebe ihr einen Schubs. Sie geht nicht auf. Ohne Knauf kein NWS.
War ich zu grob. Habe ich vielleicht versehentlich nach Osten geschubst statt nach Westen. Ich hämmere einmal kurz gegen die Tür.
Jim Ryan, der seine Einfahrt »auf Vordermann bringt«, ruft: Wo brennt’s denn.
Ich hebe den Türknauf hoch.
Er winkt mich mit seiner Schaufel zu sich. Er bittet mich herein. Er werde mal eben bei Murph’s Turf, Lock and Key anrufen. Er, Murph, werde sie bestimmt in null Komma nix wieder hinkriegen.
Sie ist die Tür, nehme ich an.
Wie dunkel es ist, merke ich erst, als ich in Jim Ryans Küche sitze und er den Kühlschrank aufmacht. Das grelle Licht blendet mich, und ich muss blinzeln. Wieso ist es schon dunkel.
Ich fürchte, ich kann dir nicht allzu viel anbieten, sagt er. Wie wär’s mit ein paar Oliven.
Gern.
Und einem Kaffee, sagt er.
Mir wird warm ums Herz. Zu einem Kaffee würde ich
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