Die Erste Liebe: Nach 19 Vergeblichen Versuchen Roman

unter die Dusche zu springen, Blumen zu kaufen und Marie zu Hause abzuholen. Doch als er in seine Straße einbog, entdeckte er Katherine I., die auf den Stufen vor dem Haus saß. Während er sie blinzelnd ansah, wie sie die Knie fast bis zum Kinn hochgezogen hatte, stellte er fest, dass er Katherine noch nie ohne Keith gesehen hatte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Colin beim Näherkommen.
    »Ja, klar«, sagte sie. »Tut mir leid, wenn ich hier einfach so auftauche. Aber ich hab diese Französischprüfung.« Sie zögerte. »Morgen. Und ich wollte nicht, dass Dad merkt, was für ein Idiot ich in Französisch bin, und da dachte ich, vielleicht … Ich wollte anrufen, aber ich habe deine Handynummer nicht. Na ja, jedenfalls dachte ich, wo ich schon einen weltbekannten Quizshowstar persönlich kenne, könnte ich mir ein bisschen Nachhilfe geben lassen.« Sie lächelte.
    »Hm«, sagte Colin. Und in den nächsten paar Sekunden versuchte er sich auszumalen, wie es wirklich gewesen wäre, mit Marie Caravolli zusammen zu sein. Colin war immer neidisch auf Leute wie Hassan, die überall Freunde fanden. Aber das Risiko, wenn einem alle Herzen zuflogen, dachte er jetzt, war, dass man sich vielleicht die falschen Leute aussuchte.
    Er stellte sich das bestmögliche Szenario vor: Gegen alle Wahrscheinlichkeit würde Marie Caravolli sich tatsächlich in ihn verlieben, was Colin und Hassan auf der Beliebtheitsskala nach oben katapultieren würde. Sie würden in der Cafeteria am coolen Tisch essen und auf Partys eingeladen werden. Aber Colin hatte genug Filme gesehen, um zu wissen, was passierte, wenn Streber auf die coolen Partys gingen: Entweder sie landeten im Pool 58 , oder sie mutierten zu den gleichen betrunkenen hohlen Flaschen wie die anderen. Keine der Optionen schien Colin verlockend. Außerdem war da noch die Tatsache, dass Colin streng genommen nicht einmal verknallt in Marie war. Er kannte sie schließlich gar nicht.
    »Warte«, sagte er zu Katherine. Und dann rief er Marie an. Sie hatte ihm am Vormittag ihre Nummer gegeben, während des zweiten Gesprächs, das sie je geführt hatten, 59 eine erstaunliche Tatsache, wenn man bedachte, dass sie seit fast zehn Jahren die gleiche Schule besuchten. »Tut mir wirklich leid«, sagte er, »aber wir haben einen Notfall in der Familie … ja, nein, mein Onkel musste ins Krankenhaus, und wir müssen hin … Ja, gut, wahrscheinlich erholt er sich wieder … Okay. Danke. Tut mir echt leid.«
    Und so geschah es, dass das einzige Mädchen, dem Colin je so etwas wie einen Korb gegeben hatte, Marie Caravolli war, die alle Welt für das hübscheste Geschöpf hielt, das je über Chicagos Straßen gewandelt war. Stattdessen gab er Katherine I. Nachhilfe. Und aus einer einzelnen Stunde wurde eine Stunde pro Woche, und dann zwei Stunden pro Woche, und einen Monat später kam sie mit Krazy Keith zu Colin nach Hause, um mit Colins Eltern und Hassan zuzusehen, wie Colin in der ersten Folge von KranialKidz , die ausgestrahlt wurde, einem armen Trottel namens Sanjiv Reddy das Fürchten lehrte. Später am Abend, als Hassan schon weg war und Krazy Keith und Colins Eltern Rotwein tranken, schlichen sich Colin und Katherine Carter aus dem Haus, um im Café Sel Marie einen Kaffee zu trinken.

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
     
     
    [12]    Am folgenden Donnerstag wurde Colin von einem Klanggemisch aus Hahnenschrei und Hassans Gebet geweckt. Er rollte sich aus dem Bett, zog ein T-Shirt über, ging aufs Klo und kam durch das gemeinsame Bad in Hassans Zimmer. Hassan lag schon wieder im Bett und hatte die Augen geschlossen.
    »Kannst du das nächste Mal ein bisschen leiser beten? Gott hört dich bestimmt auch, wenn du flüsterst, oder?«, fragte er.
    »Ich melde mich krank«, sagte Hassan, ohne die Augen zu öffnen. »Ich glaube, ich habe eine Nebenhöhlenentzündung, und außerdem brauche ich mal einen freien Tag. Mensch, das mit dem Arbeiten ist ja schön und gut, aber ich muss auch mal in Unterhose im Bett bleiben und Richterin Judy gucken können. Ist dir klar, dass ich zwölf Tage lang nicht Richterin Judy gesehen habe? Stell dir vor, du wärst zwölf Tage von der Liebe deines Lebens getrennt.« Colin starrte Hassan schweigend an. Hassan schlug die Augen auf. »Ach. Richtig. Tut mir leid.«
    »Du kannst dich nicht krankmelden. Dein Boss arbeitet hier. Im Haus. Sie merkt, dass du nicht krank bist.«
    »Donnerstag fährt sie raus zur Fabrik, Dumpfbacke. Du