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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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von unserem Abenteuer in Russland, sondern begnügte sich damit, ihr zu sagen, dass wir beide in St. Mawes seien und dass sie vielleicht bald nach Paris käme. Ich ließ die Schwestern lieber allein telefonieren und bestellte mir ein Bier in der Gaststube. Eine Stunde später setzte sie sich zu mir an den Tisch. Ich ließ meine Zeitung sinken und fragte sie, ob sie mit Ivory gesprochen habe.
    »Er leugnet in Bausch und Bogen, auch nur den geringsten Einfluss auf unsere Recherchen auszuüben. Er war fast beleidigt, als ich ihm sagte, dass er mich seit unserer ersten Begegnung im Museum zum Besten hielt. Er schien aufrichtig, doch ich bin trotzdem nicht überzeugt.«
    »Hast du ihm tatsächlich gesagt, dass wir das dritte Fragment aus Russland mitgebracht haben?«
    Keira nahm mein Glas, nickte und leerte es in einem Zug.
    »Hat er dir geglaubt?«
    »Er hörte augenblicklich auf, mir Vorwürfe zu machen, und kann gar nicht erwarten, uns zu sehen.«
    »Und wie willst du die Lüge aufrechterhalten, wenn wir ihn treffen?«
    »Ich habe gesagt, wir würden den Gegenstand an einem sicheren Ort verwahren, ihn aber erst zeigen, wenn er uns mehr über das Fragment erzählt, das in Amazonien entdeckt wurde.«
    »Und was hat er dir geantwortet?«
    »Dass er eine Vorstellung habe, wo es sich vielleicht befindet, aber nicht wisse, wie er sich Zugang zu dem Ort verschaffen
könne. Er hat mir vorgeschlagen, wir sollten ihm helfen, ein Rätsel zu lösen.«
    »Was für eine Art von Rätsel?«
    »Er wollte am Telefon nicht darüber sprechen.«
    »Kommt er hierher?«
    »Nein, wir sind in achtundvierzig Stunden mit ihm in Amsterdam verabredet.«
    »Wie sollen wir nach Amsterdam kommen? Ich hab’s nicht eilig, nach Heathrow zurückzukehren. An der Grenze laufen wir Gefahr, festgenommen zu werden.«
    »Ich weiß, ich habe ihm erzählt, was uns passiert ist. Er rät uns, eine Fähre nach Holland zu nehmen. Dort seien die Kontrollen nicht streng.«
    »Und wo nimmt man die Fähre nach Amsterdam?«
    »In Plymouth, das ist eine Autostunde von hier entfernt.«
    »Aber wir haben kein Auto.«
    »Es gibt eine Busverbindung. Warum zögerst du so?«
    »Wie lange dauert die Überfahrt?«
    »Zwölf Stunden.«
    »Das habe ich befürchtet.«
    Keira blickte zerknirscht drein und tätschelte zärtlich meine Hand.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Nun«, meinte sie etwas verlegen, »es sind nicht wirklich Fähren, sondern eher Frachtschiffe. Die meisten sind bereit, Passagiere aufzunehmen, aber Frachter oder Fähre, ist uns doch gleich, oder?«
    »Solange es ein Vorderdeck gibt, wo ich die zwölf Stunden der Überfahrt an Seekrankheit sterben kann, ist es uns in der Tat gleich!«
    Der Bus fuhr morgens um sieben Uhr los. Unsere Wirtin hatte uns ein paar Sandwiches für die Fahrt gemacht und versprach
Keira, bei Frühjahrsbeginn das Grab ihres Vaters zu säubern. Sie hoffte, uns wiederzusehen, und würde uns dasselbe Zimmer reservieren, wenn wir früh genug Bescheid gäben.
    In Plymouth begaben wir uns zum Hafenamt. Der Hafenoffizier informierte uns, dass ein Schüttgutfrachter unter britischer Flagge in einer Stunde nach Amsterdam auslief. Die Beladung sei fast abgeschlossen.
    Der Kapitän verlangte von jedem von uns hundert Pfund Sterling in bar. Nachdem wir bezahlt hatten, forderte er uns auf, ihm über den Außengang zum Peildeck zu folgen. Neben den Besatzungsunterkünften stehe uns eine Kabine zur Verfügung. Ich erklärte ihm, ich würde mich lieber auf dem Vorder-oder Hinterdeck aufhalten, dort, wo ich am wenigsten störte.
    »Wie Sie wollen, doch es wird dort verdammt kalt sein, sobald wir auf hoher See sind. Die Überfahrt dauert schließlich zwanzig Stunden.«
    Ich drehte mich zu Keira um.
    »Du hattest von höchstens zwölf Stunden gesprochen.«
    »Auf einem ultraschnellen Schiff vielleicht«, meinte der Kapitän und lachte, »aber mit diesem alten Kahn kommen wir selten über zwanzig Knoten, und das auch nur bei günstigem Wind. Wenn Sie seekrank werden, bleiben Sie draußen! Nicht dass Sie mir mein Schiff verdrecken. Und ziehen Sie sich warm an!«
    »Ich schwöre dir, das wusste ich nicht«, sagte Keira und kreuzte die Finger hinter ihrem Rücken.
    Der Frachter legte ab. Auf dem Ärmelkanal herrschte wenig Seegang, doch es regnete immer wieder. Keira leistete mir eine Stunde Gesellschaft, bevor sie im Schiffsinneren verschwand, es war wirklich zu kalt. Der Kapitän hatte wohl Mitleid mit mir und schickte seinen Zweiten Offizier mit Ölzeug und

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