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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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jedes Fragment eine bestimmte Kenntnis, ein Wissen verschlüssele, das es zu enthüllen gelte.
    »Da teile ich Ihre Meinung nicht, ich tendiere mehr zum Gegenteil«, fiel Ivory ein. »Ein Satz des Textes gibt eher Anlass zu der Vermutung, dass das Geheimnis gewahrt bleiben soll. Mögen unter dem sternenklaren Gedrittschein die Schatten der Unendlichkeit verschlossen bleiben.
    Und während Ivory und Keira über die »Schatten der Unendlichkeit« diskutierten, dachte ich an meinen Antiquar aus dem Marais.
    »Neugierig macht mich nicht so sehr, was die Armillarsphären zeigen, als vielmehr all das, was sie nicht zeigen, was wir aber dennoch ahnen«, sagte ich leise.
    »Wie bitte?«, fragte Ivory an mich gewandt.
    »Die Leere und die Zeit«, fügte ich hinzu.
    »Was erzählst du da?«, sagte Keira.
    »Nichts. Eine Idee, die nichts mit eurem Gespräch zu tun hat, die mir aber gerade durch den Kopf ging.«
    »Und wo vermuten Sie die fehlenden Fragmente?«, wollte Ivory wissen.
    »Die beiden, die sich in unserem Besitz befinden, wurden in Vulkankratern unweit von großen Flüssen gefunden. Eines
im Osten, das andere im Süden. Ich habe das Gefühl, die übrigen sind an ähnlichen Orten im Westen und im Norden verborgen.«
    »Haben Sie die beiden Teile bei sich?«, drängte Ivory mit glänzenden Augen.
    Keira und ich wechselten rasch einen Blick, dann nahm sie ihre Kette ab, ich zog meines hervor, das ich sorgfältig in der Innentasche meiner Jacke aufbewahrte, und wir legten sie auf den Couchtisch. Keira fügte die beiden Stücke zusammen, und sie nahmen jene nachtblaue Farbe an, die uns immer noch beeindruckte, allerdings war das Funkeln dieses Mal weniger intensiv, so als würden die Objekte an Leuchtkraft verlieren.
    »Das ist unglaublich!«, rief Ivory aus. »Mehr als alles, was ich mir vorgestellt habe.«
    »Was haben Sie sich denn vorgestellt?«, fragte Keira neugierig.
    »Nichts, nichts Besonderes«, wich Ivory aus, »aber Sie müssen zugeben, dieses Phänomen ist sehr erstaunlich, vor allem angesichts des Alters dieser Stücke.«
    »Sagen Sie mir jetzt, wo Ihres gefunden wurde?«
    »Leider ist es nicht meins. Es wurde vor dreißig Jahren in den peruanischen Anden entdeckt, aber entgegen Ihrer Theorie nicht in einem Vulkankrater.«
    »Wo dann?«, beharrte Keira.
    »Etwa einhundertfünfzig Kilometer nordöstlich vom Titicacasee.«
    »Unter welchen Umständen?«, schaltete ich mich ein.
    »Es war eine Mission unter der Leitung holländischer Geologen, sie fuhren zur Quelle des Amazonas hinauf. Das Objekt fiel ihnen wegen seiner eigenartigen Form in einer Grotte auf, in der sie Schutz vor einem Unwetter suchten. Es hätte wohl kaum ihre weitere Aufmerksamkeit erregt, wäre der Expeditionsleiter
nicht Zeuge desselben Phänomens geworden, das auch Sie beobachtet haben. Als das Fragment in einer Gewitternacht dem grellen Licht eines Blitzes ausgesetzt war, projizierte es Leuchtpunkte an die Wand seines Zelts. Dieses Ereignis beeindruckte ihn umso mehr, als er am nächsten Morgen Tausende von winzigen Löchern im Zeltstoff entdeckte, durch die das Licht drang. Da in dieser Gegend Gewitter an der Tagesordnung sind, wiederholte der Forscher das Experiment mehrmals und kam zu dem Schluss, dass es sich nicht um einen einfachen Stein handeln konnte. Er brachte das Fragment mit nach Holland und ließ es dort genauer untersuchen.«
    »Können wir diesen Geologen treffen?«
    »Er ist wenige Monate später gestorben. Ein dummer Sturz während einer anderen Expedition.«
    »Wo befindet sich das Fragment, das er entdeckt hat, jetzt?«
    »An einem sicheren Ort, aber wo, das weiß ich nicht.«
    »Nun, es wurde zwar nicht in einem Vulkan, aber immerhin im Westen gefunden.«
    »Ja, so viel steht fest.«
    »Und in der Nähe eines Nebenflusses des Amazonas.«
    »Auch das stimmt«, entgegnete Ivory.
    »Zwei Hypothesen von dreien haben sich bestätigt, das ist nicht schlecht«, meinte Keira.
    »Ich fürchte, das wird Ihnen nicht wirklich helfen, die anderen Fragmente zu finden. Zwei sind zufällig aufgetaucht, und beim dritten haben Sie sehr großes Glück gehabt.«
    »Ich habe in zweitausendfünfhundert Metern über dem Abgrund gehangen, wir sind im Tiefflug über Birma geflogen und zwar in einer Kiste, die ihren Namen nur noch verdiente, weil sie Tragflächen hatte, ich wäre beinahe ertrunken und Adrian an einer Lungenentzündung gestorben, dazu drei Monate in
einem chinesischen Gefängnis, ich weiß nicht, wie Sie da von Glück sprechen

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