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Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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erleichtert, einen großartigen Kompromiss gefunden zu haben. Doch als ich mich umdrehte, wurde mir klar, dass Keira meine Begeisterung gar nicht teilte. Ich versprach ihr, dass ich den Hin- und Rückweg in einer Stunde zurücklegen würde. Ich zog meinen Regenmantel an, holte den Zweitschlüssel aus der Schreibtischschublade und lief die Einfahrt hinauf zu dem kleinen Schuppen, in dem mein Wagen stand.

    Als ich mich ans Steuer gesetzt hatte, holte ich tief Luft und atmete genussvoll den Duft des alten Leders ein. Kaum hatte ich den Schuppen verlassen, musste ich kräftig auf die Bremse treten, denn Keira stand stocksteif vor mir im Scheinwerferlicht. Sie öffnete die Beifahrertür und nahm neben mir Platz.
    »Hätte dieser Brief nicht bis morgen warten können?«, fragte sie und zog die Tür zu.
    »Auf dem Umschlag stand ›dringend‹ - mit rotem Filzstift geschrieben, hat Walter noch hinzugefügt. Doch ich kann allein hinfahren, du brauchst nicht…«
    »Dieser Brief ist an mich adressiert, und du brennst darauf, deinen Kumpel zu sehen. Also fahr los!«
    Nur an Montagabenden ist der Verkehr in London halbwegs fließend, und so brauchten wir lediglich knappe zwanzig Minuten bis zur Akademie. Unterwegs fing es an zu regnen, einer von diesen heftigen Schauern, die so oft auf die Hauptstadt niedergehen. Walter erwartete uns vor dem Haupteingang, seine Hosenbeine waren durchnässt, die Ärmel seiner Jacke auch, und er machte ein Gesicht wie mindestens drei Tage Regenwetter. Er händigte mir den Umschlag aus, und ich konnte ihm nicht einmal anbieten, ihn nach Hause zu fahren, da mein Wagen, ein Coupé, nur mit zwei Sitzen ausgestattet war. Wir warteten wenigstens, bis er ein Taxi gefunden hatte. Als eines vorbeikam, grüßte mich Walter kühl, ignorierte Keira ganz und fuhr davon. Da saßen wir nun im strömenden Regen, das Kuvert lag auf Keiras Schoß.
    »Willst du es nicht aufmachen?«
    »Es ist die Handschrift von Max«, murmelte sie.
    »Dieser Typ muss telepathische Fähigkeiten haben!«
    »Warum sagst du das?«
    »Weil er wohl gesehen hat, wie wir unser kleines romantisches Abendessen zubereitet haben, um uns dann genau in
dem Moment, als deine Soße perfekt war, diesen Brief zu schicken, der uns den Abend versaut.«
    »Das ist nicht lustig …«
    »Vielleicht, aber gib zu, wenn wir von einer meiner verflossenen Geliebten gestört worden wären, dann hättest du die Sache nicht so leicht genommen.«
    Keira strich über den Umschlag.
    »Und welche verflossene Geliebte könnte dir schreiben?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Antworte auf meine Frage.«
    »Ich habe keine verflossenen Geliebten!«
    »Warst du etwa noch jungfräulich, als wir uns begegnet sind?«
    »Was ich meine, ist, dass ich an der Uni mit keiner meiner Studentinnen geschlafen habe!«
    »Diese Bemerkung ist sehr taktvoll.«
    »Machst du jetzt den Umschlag auf, ja oder nein?«
    »Du hast von einem ›romantischen Abendessen‹ gesprochen, habe ich da richtig gehört?«
    »Möglich, dass ich das gesagt habe.«
    »Bist du in mich verliebt, Adrian?«
    »Mach jetzt diesen Umschlag auf, Keira!«
    »Ich deute das als ein Ja. Fahr zu deinem Haus zurück und lass uns direkt in dein Schlafzimmer gehen. Ich habe viel mehr Lust auf dich als auf eine Zucchini-Pfanne.«
    »Ich deute das als ein Kompliment! Und dieser Brief?«
    »Der kann bis morgen früh warten - und Max auch.«
     
    Dieser erste Abend in London weckt viele Erinnerungen. Nachdem wir uns geliebt hatten, bist du eingeschlafen. Die Fensterläden des Schlafzimmers waren halb geöffnet; ich setzte mich im Bett auf und betrachtete dich, lauschte auf deinen
gleichmäßigen Atem. Ich sah die Narben auf deinem Rücken, die selbst die Zeit niemals ganz würde auslöschen können, und strich sanft mit den Fingerspitzen darüber. Dein warmer Körper weckte in mir ein Verlangen, das noch so intakt war wie vor unserem abendlichen Liebesspiel. Du stöhntest auf, ich zog meine Hand weg, doch du ergriffst sie und fragtest mit schlaftrunkener Stimme, warum ich die Liebkosung unterbrochen hätte. Ich drückte die Lippen auf deine Haut, doch du warst schon wieder halb eingeschlafen. Da gestand ich dir, dass ich dich liebe.
    »Ich dich auch«, murmeltest du.
    Deine Stimme war kaum hörbar, doch diese Worte genügten mir, um ebenfalls Schlaf zu finden.
     
    Erschöpft, wie wir waren, verschliefen wir den ganzen nächsten Morgen. Es war fast Mittag, als ich die Augen aufschlug. Dein Platz neben mir war leer, und so

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