Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die erste Nacht - Roman

Die erste Nacht - Roman

Titel: Die erste Nacht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
Vom Netzwerk:
die Zelle die Aufgabe, alle im archäologischen Bereich durchgeführten Arbeiten zu registrieren, und vor allem, alles, was in der Erde gefunden wurde, zu inventarisieren und zu konfiszieren, und dabei ist vieles verschwunden … Korruption und Geldgier«, fügte er angesichts unserer verwunderten Mienen
hinzu. »Das Leben in diesem Land war zu jener Zeit schwer, das ist es auch heute noch, aber Sie müssen verstehen, dass ein bei Ausgrabungen gefundenes Goldstück seinem Besitzer damals über Monate ein sorgenfreies Leben bescherte. Dasselbe gilt für die Fossilien, die leichter die Grenze passieren konnten als die Menschen. Seit der Zeit Peters des Großen, dem eigentlichen Initiator archäologischer Recherchen in Russland, ist unser Erbe stetig geplündert worden. So wurde aus dieser Institution, die Chruschtschow zum Schutz ebenjenes Erbes ins Leben gerufen hatte, letztlich die größte Antiquitätenschmuggelorganisation aller Zeiten. Kaum waren sie ausgegraben, wurden die Schätze unserer Heimat unter den Apparatschicks aufgeteilt und wanderten dann weiter in die Bestände reicher westlicher Museen oder wurden an private Sammler verkauft. Jeder in der Kette bediente sich: angefangen bei den Archäologen vor Ort über die Teamleiter bis hin zu den Beamten der Archäologischen Gesellschaft, die über alles wachen sollten. Ihr Vladenko Egorov war vermutlich einer der größten Fische dieses dubiosen Netzes, in dem alles erlaubt war, selbstverständlich auch Mord. Wenn wir von demselben Mann sprechen, ist der, den Sie befragen wollen, ein Krimineller. Seine Freiheit verdankt er ausschließlich mächtigen, noch heute in ihrem Amt tätigen Persönlichkeiten, die gute Kunden sind und es bedauern würden, wenn er aus dem Verkehr gezogen würde. Wenn Sie die ehrlichen Archäologen meiner Generation gegen sich aufbringen wollen, brauchen Sie nur diesen Namen zu erwähnen. Bevor ich Ihnen also seine Adresse gebe, möchte ich wissen, welche Art Objekt Sie aus Russland zu schmuggeln gedenken. Ich bin sicher, das wird auch die Polizei interessieren, aber vielleicht wollen Sie das den Beamten selbst sagen?«, fragte der Mann und hob den Telefonhörer ab.
    »Sie irren sich, es handelt sich sicher nicht um unseren Egorov,
das muss eine Namensgleichheit sein«, rief Keira und legte die Hand auf die Tastatur des Apparats.
    Auch mir schien die Sache unfassbar.
    Unser Gastgeber lächelte und wählte seine Nummer.
    »Nun hören Sie endlich auf! Glauben Sie etwa, wenn ich Antiquitäten schmuggeln wollte, würde ich hierherkommen und bei der Akademie der Wissenschaften nach der Adresse meines Hehlers fragen? Sehe ich so blöd aus?«
    »Ich muss zugeben, das wäre nicht besonders geschickt«, antwortete der Mann und legte auf. »Wer hat Ihnen Egorov empfohlen und mit welchem Ziel?«, fuhr er fort.
    »Ein alter Archäologe, und zwar mit dem Ziel, das ich Ihnen soeben erklärt habe.«
    »Dann hat er Ihnen etwas vorgemacht. Aber vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen oder Sie mit einem unserer Spezialisten in Kontakt bringen. Mehrere unserer Mitarbeiter interessieren sich für die Wanderbewegungen, aus denen die Bevölkerung Sibiriens hervorgegangen ist. Wir bereiten sogar ein Kolloquium zu diesem Thema vor, das demnächst stattfinden wird.«
    »Ich muss diesen Mann treffen und nicht an die Uni zurück«, entgegnete Keira. »Ich suche Beweise, und Ihr angeblicher Schmuggler hat sie vielleicht in der Hand gehabt.«
    »Darf ich Ihre Pässe sehen? Wenn ich eine Verbindung zu einer solchen Person herstellen soll, möchte ich wenigstens Ihre Namen beim Zoll melden. Bitte nehmen Sie mir das nicht übel, aber das ist die einzige Art, mich zu schützen. Was auch immer Sie bei uns suchen, ich will damit nichts zu tun haben und nicht der Mithilfe bezichtigt werden. Also, eine Hand wäscht die andere, geben Sie mir Ihre Ausweise, und Sie kriegen die Adresse.«
    »Ich fürchte, dann müssen wir wiederkommen«, erklärte
Keira. »Wir haben sie bei unserer Ankunft im Hotel abgegeben und noch nicht zurückerhalten.«
    »Das stimmt«, mischte ich mich jetzt ein. »Sie können die Rezeption anrufen, wenn Sie uns nicht glauben. Vielleicht können die Ihnen auch jeweils die ersten Seiten faxen.«
    Es klopfte an der Tür, ein junger Mann steckte den Kopf herein und wechselte ein paar Worte mit unserem Gegenüber.
    »Entschuldigen Sie mich«, meinte dieser dann, »ich bin gleich zurück. Bedienen Sie sich inzwischen des Telefons und lassen Sie Ihre Papiere an

Weitere Kostenlose Bücher