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Die erste Todsuende

Die erste Todsuende

Titel: Die erste Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Schlag, zumal er von vorn kam, nicht ausgewichen?
    „Vielen Dank, Mrs. Gilbert", sagte Captain Delaney leise. Er trank seinen Tee aus und erhob sich. „Ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie sich soviel Zeit genommen haben, und ich hoffe, daß Ihr Mann sich bald wieder erholt."
    „Sie sind über seinen Zustand unterrichtet?"
    Diesmal log er doch. „Ich bin überzeugt, darüber wissen Sie mehr als ich. Ich weiß nur, daß er sehr schwer verletzt wurde."
    Sie nickte, sah ihn aber nicht an. Da wußte er, daß sie sich keinen falschen Hoffnungen hingab.
    Sie brachte ihn an die Tür. „Ich möchte etwas tun", sagte sie.
    „Ja?" fragte er verwirrt. „Ich verstehe nicht ganz."
    „Ich möchte etwas tun! Möchte helfen!"
    „Sie haben bereits geholfen."
    „Kann ich nicht sonst noch irgend etwas tun? Sie tun doch auch etwas. Ich kenne Sie nicht, aber ich habe Vertrauen zu Ihnen. Ich habe wirklich das Gefühl, Sie wollen herausfinden, wer es getan hat."
    „Vielen Dank", sagte er und war sehr bewegt. „Ja, ich versuche herauszufinden, wer es war."
    „Dann lassen Sie mich Ihnen irgendwie helfen. Ich kann sowohl Steno wie Schreibmaschine. Und in Rechnen war ich immer gut. Ich würde alles tun: Kaffee kochen, Botengänge ausführen. Alles."
    Er vermochte kein Wort zu sagen, nickte nur erfreut und lächelte. Fest zog er hinter sich die Tür zu.
    Draußen stand das Polizeiauto noch immer an derselben Stelle. Er war darauf gefaßt, daß man ihn anstarrte oder ihm zuwinkte. Doch der eine der beiden Beamten hatte den Kopf zurückgelehnt und schlief mit offenem Mund, während der andere einen Wettschein ausfüllte. Sie bemerkten ihn noch nicht einmal. Wäre er ihr Vorgesetzter gewesen, hätte er Ihnen die Leviten gelesen.

27
    Der nächste Tag fing vielversprechend an: Der Buchhändler rief ihn an und sagte, er habe zwei Bände der alten Honey Bunch-Ausgabe aufgetrieben. Der Captain war hocherfreut, und sie kamen überein, daß der Buchhändler ihm die Bände zusammen mit der Rechnung zuschickte.
    Er nahm das als gutes Omen, denn wie die meisten Polizeibeamten war er abergläubisch. Zu anderen sagte er: „Sie schmieden Ihr eigenes Glück", obwohl er wußte, daß das nicht so ganz stimmte; es gab Glücksfälle, die völlig unerwartet kamen, manchmal sogar ungebeten, doch worauf es ankam, war, diese Glücksfälle als solche zu erkennen, wenn sie einem begegneten; denn das Glück trug tausend Verkleidungen - manchmal kam es sogar im Gewand des Unglücks daher.
    Er saß am Schreibtisch und ging die von ihm aufgestellte Liste all der Dinge durch, die erledigt werden mußten:
    „Monica Gilbert befragen."
    „Calvin Case wegen Eispickel."
    „Ferguson wegen Autopsie."
    „Langley anrufen."
    „Honey Bunch."
    Die letzte Zeile strich er aus und war schon im Begriff, auch die erste auszustreichen, als er es, aus Gründen, über die er sich keine Rechenschaft gab, doch unterließ. Er kramte nach dem Zettel von Thomas Handry mit der Adresse und der Telefonnummer von Calvin Case und fand ihn schließlich.
    Er beschloß, seinen Besuch nicht anzukündigen. Bisweilen war es nützlich, jemanden zu überraschen, ihm Fragen zu stellen, wenn er nicht darauf vorbereitet war.
    Das Haus lag in der West 11th Street, gleich um die Ecke von der 5th Avenue. Die Mieten waren hier, wie Delaney wußte, enorm hoch, es sei denn, Case hatte das Glück, in einer Wohnung mit festgelegter Sozialmiete zu wohnen. Das Haus selbst war ein schöner alter Bau im Südstaatenstil mit weiß gestrichenen, mit Geranien oder Efeu bewachsenen Blumenkästen vor sämtlichen Vorderfenstern. Der Türknauf und das Nummernschild waren aus blankgeputztem Messing. Auf einem kleinen Schild stand: „Hunde bitte an die Leine nehmen!" Irgendwer hatte darunter geschrieben: „Und wenn sie mal müssen?"
    Calvin Case wohnte in Apartment 3-B. Delaney kingelte und hielt das Ohr an die Sprechanlage. Nichts. Er klingelte noch einmal, lang und anhaltend. Endlich vernahm er eine barsche Männerstimme: „Ja, was ist denn?"
    „Mr. Calvin Case?"
    „Ja. Was wollen Sie?"
    „Mein Name ist Captain Edward X. Delaney von der New Yorker Polizei. Ich hätte Sie gern einen Augenblick gesprochen."
    „In welcher Angelegenheit?" Die Stimme klang laut und schwerzüngig und durch die Sprechanlage doppelt knarrend.
    „Es geht um eine Ermittlung, die ich durchführe."
    Das Schweigen, das darauf folgte, dauerte so lange, daß Delaney schon im Begriff war, nochmals zu klingeln, als plötzlich der

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