Die erste Todsuende
ganz schön schwer. Damit könnte man ohne weiteres jemanden umbringen."
„Wozu benutzt man ihn?" Delaney streifte sich die Schlaufe des Eispickels übers Handgelenk.
„Technisch gesehen ist das, wie gesagt, ein Eishammer. Wenn Sie am Fels sind, können Sie mit der Spitze ein Loch hacken, in das Sie dann mit der Schlagfläche einen Felshaken hineinzutreiben versuchen. Ein Felshaken ist ein Stahlhaken mit einem Ring oder einer Öse, an dem man das Seil festmacht."
Delaney fuhr mit zwei Fingern über den Hammerkopf des Pickels. Dann rieb er Fingerkuppen und Daumen und grinste.
„Sie scheinen ja sehr zufrieden", sagte Case und schenkte sich noch einen Whisky ein.
„Das hat seinen Grund. Also doch eingeölt."
„Was?"
„Der Eispickel ist eingeölt."
„Ach so... aber natürlich. Evelyn sorgt immer dafür, daß meine Sachen sauber und gut eingeölt sind. Sie denkt, ich könnte eines Tages wieder in die Berge. Stimmt doch, oder, Liebling?"
Delaney wandte sich um und sah sie an. Sie nickte wortlos und versuchte zu lächeln. Er erwiderte das Lächeln.
„Was für Öl benutzen Sie, Mrs. Case?"
„Oh... ich weiß nicht. Ganz normales Öl. Ich kaufe es in einer Eisenwarenhandlung in der 6th Avenue."
„Ein dünnflüssiges Öl", sagte Calvin Case. „Wie Nähmaschinenöl. Nichts Besonderes."
„Halten alle Bergsteiger ihr Werkzeug so sauber und geölt?"
„Die guten ja. Und vor allem achten sie darauf, daß es scharf ist."
Delaney nickte. Widerstrebend trennte er sich von dem Eispickel und legte ihn zu den anderen zurück.
„Sie sagten, Sie haben für 'Camper-Glück' gearbeitet?"
„Ja. Fast zehn Jahre lang. Ich habe die Bergsteigerabteilung geleitet. Zum Klettern hab ich soviel frei bekommen, wie ich wollte. Das war für die Firma Reklame."
„Angenommen, ich will einen solchen Eispickel kaufen. Bekomme ich beim Bezahlen lediglich einen Kassenzettel oder eine richtige Rechnung mit Warenbezeichnung und so?"
Case sah ihn aus schmalen Augen an. Dann verzog sich sein bärtiges Gesicht zu einem Lächeln.
„Aha, hier ist der Detektiv am Werk!" Er grinste. „Aber Sie haben Glück. In diesem Geschäft wird jedesmal - jedenfalls war das so zu meiner Zeit - ein richtiger Verkaufszettel mit Namen und Adresse des Kunden ausgeschrieben. Das war wichtig, weil Sol Appel, dem der Laden gehört, zugleich einen großen Versandhandel betreibt und eine Adressenkartei führt. Er verschickt einen Sommer- und einen Winterkatalog und ist immer scharf darauf, seine Adressenliste zu vergrößern."
„Wie lange werden die Kassenbelege aufgehoben? Wissen Sie das?"
„Gott, jahrelang. Der ganze Keller war voll davon. Aber freuen Sie sich nicht zu früh, Captain. 'Camper-Glück' ist nicht der einzige Laden in New York, wo man Eispickel kriegt. Und in den meisten anderen Geschäften wird bloß die Endsumme auf dem Kassenbon registriert. Sie haben über ihre Kunden und was sie gekauft haben keinerlei Unterlagen. Und wie gesagt, die meisten Geräte werden importiert. Eispickel kriegen Sie in London, Paris, Berlin, Wien, Rom und Genf - überall auf der Welt. Und in Los Angeles, San Francisco, Boston, Portland, Seattle, Montreal und hundert anderen Städten. Wo wollen Sie da ansetzen?"
„Ich danke Ihnen sehr herzlich", sagte Delaney ohne jede Ironie. „Sie waren mir eine große Hilfe. Tragen Sie mir bitte nicht nach, daß ich vorhin so aus der Rolle gefallen bin."
Calvin Case winkte ab - eine Handbewegung, die Delaney nicht zu deuten wußte.
„Was werden Sie jetzt tun, Captain?"
„Jetzt tun? Ach so, Sie meinen als nächstes? Nun ja, Sie haben mich ja telefonieren hören. Bekommt der Mann einen Eispickel wie Ihren hier, fahre ich selber hin und frage, ob man mich die Verkaufszettel durchsehen läßt. Und dann mache ich mir eine Liste der Leute, die Eispickel gekauft haben."
„Aber ich sage Ihnen doch, es sind Tausende. Tausende!"
„Ich weiß."
„Und die anderen Geschäfte in New York. In der ganzen Welt."
„Ich weiß."
„Sie müssen irre sein", sagte Calvin Case tonlos. „Zuerst dachte ich, Sie wären es nicht, aber jetzt glaube ich doch, daß Sie es sind."
„Cal", mahnte seine Frau leise, doch er sah sie nicht an.
„Ich weiß nicht, was Sie sich unter Detektiv-Arbeit vorstellen", sagte Delaney und ließ den Mann im Bett nicht aus den Augen. „Die meisten Menschen beziehen ihr Wissen aus Kriminalromanen, Filmen und aus dem Fernsehen. Sie bilden sich ein, die Arbeit eines Detektivs bestehe in erster Linie aus
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