Die erste Todsuende
hörte sie rufen: „Mr. Blank! Telefon!" Dann die vertraute Stimme, neugierig, aber auf der Hut. Natürlich fragte sich Danny-Boy, wieso jemand wissen konnte, daß er auf einer Weihnachtsparty bei Mortons war.
„Hallo?"
„Mr. Daniel G. Blank?"
„Ja. Wer spricht dort?"
„Frank Lombard."
Am anderen Ende der Leitung ein Laut: teils Stöhnen, teils Keuchen.
„Wer?"
„Frank Lombard", sagte Delaney mit tiefer, leiser Stimme. „Sie kennen mich. Wir sind uns schon begegnet. Ich wollte Ihnen nur fröhliche Weihnachten..."
Doch die Leitung war unterbrochen. Behutsam legte Delaney auf. Jetzt lächelte er. Dann zog er den Mantel an, setzte die Mütze auf und ging in die dunkle Nacht hinaus, um einen Drugstore zu suchen, der noch offen hatte, damit er seiner Frau ein Weihnachtsgeschenk kaufen konnte.
ACHTER TEIL
43
Irgend etwas geschah. Was geschah? Irgend etwas...
Vor etwa zwei Wochen hatte es angefangen, meinte Daniel Blank. Vielleicht auch schon vor drei. Genau konnte er sich nicht erinnern. Der Garagenwärter hatte beiläufig erwähnt, daß ein Versicherungsvertreter dagewesen sei und sich nach seinem Wagen erkundigt habe.
„Er meinte, Sie seien in einen Unfall verwickelt gewesen", sagte der Mann. „Er hat sich Ihren Wagen angesehen, doch ein Blick genügte, und er wußte, daß Sie es nicht gewesen sein können. Ich hatte ihm gleich gesagt, Sie hätten den Wagen seit Wochen nicht mehr draußen gehabt."
Blank nickte und gab dem Mann eifrig den Auftrag, die Corvette zu waschen, Batterie und Öl nachzusehen und vollzutanken. An den Versicherungsmann dachte er nicht mehr. Damit hatte er nichts zu tun.
Doch dann ging er eines Abends in den Papagei. Als der Bartender ihm seinen Kognak brachte, fragte er plötzlich, ob er Blank heiße. Daniel nickte - er verspürte eine leichte Erregung -, und der Bartender erzählte ihm, kürzlich sei ein Privatdetektiv dagewesen und habe Verschiedenes über ihn, Blank, wissen wollen. An den Namen des Privatdetektivs konnte der Bartender sich nicht mehr erinnern, aber er konnte den Mann beschreiben. Blank war nun doch etwas beunruhigt und sprach noch einmal mit dem Garagenwärter; die Beschreibung des „Versicherungsvertreters", die er gab, deckte sich mit der des „Privatdetektivs", die der Bartender ihm gegeben hatte.
Zwei Tage später berichtete ihm der Pförtner Lipsky, ein Mann sei dagewesen und habe „sehr persönliche Fragen" über Daniel Blank gestellt. Lipsky wußte nicht zu sagen, wie der Mann hieß, noch was für einen Beruf er hatte. Er konnte nur sagen, wie er aussah.
Nach diesen drei Beschreibungen begann Blank sich ein Bild von dem Mann zu machen, der ihm nachspionierte. Das heißt, es war weniger ein Bild als eine Silhouette: eine dunkle, schattenhafte Gestalt, grob wie ein Holzschnitt. Groß, mit hängenden Schultern. Auf dem Kopf einen steifen Homburg. Dazu ein altmodischer, doppelreihiger Mantel.
Dann erzählten ihm Flo und Sam Morton mit allen Anzeichen des Entzückens von dem Besuch des Credit Union-Vertreters. Warum hatte Dan seinen besten Freunden nicht gesagt, daß er Celia Montfort heiraten und ihr Stadthaus kaufen wolle? Er lächelte verlegen.
Dann die peinliche Unterredung mit René Horvath, dem Personalchef von Javis-Bircham. Erst ganz allmählich fand er heraus, daß der Vertreter eines Kreditinstituts Erkundigungen über ihn eingezogen hatte, weil er dort angeblich um ein sehr hohes Darlehen gebeten hatte. Horvath hatte von seinen Vorgesetzten den Auftrag erhalten, Blank zu fragen, zu welchem Zweck er das Darlehen haben wollte. Die Beschreibung, die Mr. Horvath von dem Vertreter gab, deutete auf denselben Mann hin wie in den anderen Fällen.
Er wußte jetzt, daß seine Tage bei Javis-Bircham gezählt waren, doch das war nicht wichtig. Man würde ihn an die Luft setzen und ihm nahelegen zu kündigen und ihm eine großzügige Abfindung zahlen. Es war nicht wichtig. Er wußte, daß er seine Arbeit in den letzten Monaten vernachlässigt hatte. Er hatte jegliches Interesse daran verloren. Es war nicht wichtig.
Was wichtig war, war sein Verfolger — ein aus vielen Einzelteilen zusammengesetzter Mann, der inzwischen mehr war als nur eine Silhouette oder ein undeutliches Bild - jemand, der Plastizität gewann und Gestalt annahm, ein Mann mit groben Zügen und aufdringlichen Gesten, mit schlenkerndem Gang und Augen, die er ständig offenhielt. Wer war er? Gott mit steifem Homburg und flatterndem Mantel?
Blank hielt nach ihm Ausschau, wohin
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