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Die ersten Zeitreisen

Die ersten Zeitreisen

Titel: Die ersten Zeitreisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Heinrich und Erik Simon
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Stadt erreichen wir heut nicht mehr, mein lieber Geraldus,
auch erhalten wir dorten keine Kunde, nur leeres
Geschwätz. Laß uns eine Herberge am Wege suchen, wo
mancherlei Leute eintreffen, von verschiedenem Stand
und Beruf. Du weißt, wunderliche Dinge sprechen sich
am schnellsten herum. So finden wir vielleicht eine
Spur.“
10. Die beiden Inspektoren
    hatten sich, wie wir sehen, nicht nur verkleidet, sondern
auch zeitgenössische Namen und Sitten angenommen,
und das nicht etwa zu ihrem eigenen Schutz, sondern
zum Schutz der Vorfahren vor mystifikatorischen Grausamkeiten.
So kam es, daß sie, gemäß den Bräuchen jener
Zeit, im Abenddämmer auf der Bank vor einem
Wirtshaus saßen, den Weinschlauch in dem einen Arm,
eine dralle Magd im anderen.
11. Etliche Reisende
    bogen von einem nahe gelegenen Kreuzweg ein, manche
zu Fuß, andere zu Pferde. Ein greiser Pilgrim, der als letztergekommen war, setzte sich zu den Rittern und hob
eine Lederflasche an den Mund, die er auf einen Zug
leerte. Aus einem Felleisen zog er eine zweite hervor und
bot auch den Reisigen zu seiner Seite davon an. Um ihn
nicht vor den Kopf zu stoßen (zum Schutz der Vorfahren
vor Mystifikationen), nahmen sie das Angebot an und
hatten binnen kurzem jeder eine halbe Gallone besten
französischen Weinbrands ausgetrunken, da der fromme
Bruder aus den unergründlichen Falten seines Gewandes
immer neue Flaschen hervorzubringen wußte. Bald
nahmen auch andere Herbergsgäste an dem Gelage teil.
Als sie nun einige Zeit munter gezecht hatten, fiel es den
beiden Inspektoren ein, ihr Antialkoholpräparat einzunehmen,
um einen klaren Kopf zu behalten. Der
Weinbrand hatte jedoch schon sehr seine Wirkung getan.
12. Der Pilgrim
    erhob sich, schlug ein Kreuz über die Anwesenden, segnete
sie in Christi Namen und fing an zu reden: „Ich bin
ein Sünder wie ihr alle und ein viel schlimmerer dazu.
Vom Papst ist mir ein Bußgang durch die Lande auferlegt,
auf dem ich zur Rettung meiner Seele möglichst
viele Wohltaten vollbringen muß. Eine solche ist die Verteilung
dieses köstlichen Getränks an euch, was ihr zugeben
mögt. Allein, der Papst verlangt die schriftliche Bestätigung
meiner Wohltaten auf diesem Pergament, wo
ihr schon viele Namen und Kreuze seht. Obenan steht,
daß ich euch eine Wohltat erwiesen habe, und hier ist
noch Platz für eure Unterschrift oder für drei Kreuzchen
dessen, der des Schreibens unkundig ist. Bitte sehr.“
13. Auf dem Pergament
    entzifferten unsere Inspektoren, als die Reihe an sie kam,
die Worte: „Kraft der Unterschriften wird dem Inhaber
dieser Rolle bestätigt, nur Wohltaten vollbracht zu haben.“
Danach folgte eine große Zahl Unterschriften.
    Auch die Inspektoren der „Liga zur Verhinderung von
mystifikatorischen Grausamkeiten“ unterschrieben mit
einem überlegenen Lächeln. Sollte der Pilger seinen Willen
haben,
die
Wohltat konnte man ihm schon bezeugen.
Mechanisch setzten ihre Hände wie gewohnt die Unterschrift
aufs Pergament.
    So standen dort unbeachtet, aber unwiderruflich nicht
„Amarin“ und „Geraldus“, sondern die wahren Namen
der beiden Inspektoren.
14. Anderntags
    erwachten sie mit schwerem Kopf auf dem Strohsack.
Der Pilger war über alle Berge; nicht einmal über Nacht
war er geblieben, so eilig hatte er es mit seinen Wohltaten
— welche Seelenpein mochte ihn quälen! Ein mitleidiges
Lächeln schwebte noch auf ihren Lippen, als sie
längst wieder auf der Straße nach Antwerpen ritten.
    Zu ihnen gesellte sich ein martialisch aufgeputzter Ritter,
der nach Antwerpen zum Turnier wollte. Dieser verfiel
bald in eine scheußliche Prahlerei und behauptete,
ein Rostfleck seines Harnischs stamme vom Blute des
Drachens, den er auf seiner letzten Suche nach dem Gral
getötet habe.
    Geraldus und Amarin heuchelten Interesse und bekamen
die üblichen Geschichten vom Gral zu hören, die
ihnen als Kennern der Epoche nichts Neues boten. Ihnen
war bekannt, daß der Gral, der heilige Kristall,
Glück und Wohlstand spenden sollte.
15. Der fremde Ritter
    wußte jedoch den alten Wundern ein neues hinzuzufügen,
über das auch die beiden Inspektoren ins Staunen
gerieten: Der Gral sollte Junge bekommen.
    „Wie eine Henne Eier legt, gack, gack, gack“, spottete
Amarin. „Und was wird aus den Küken, he?“
    „Wenn Ihr’s nicht glaubt, so seht’s Euch selbst an!“ rief
der fremde Ritter zornig. „Jedem steht es frei, sein Lebeneinzusetzen, um durch den Anblick des Grals das ewige
Leben zu erhalten.“
    „Nun, wir

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