Die ersten Zeitreisen
Drachen und
sonstigen Mirakel in Gang zu halten, damit die Bevölkerung
verscheucht wird — die Ritter verscheuche ich übrigens
damit nicht, sondern ziehe sie an —, all das steht mir
bis zum Halse.“
19. Bartholomäus Anselm
trat aus den Sträuchern hervor, und Amarin und Geraldus
sahen ihn entgeistert an. Er war ihnen sehr fremd,
weil ja immerhin von der Tätigkeit her gegensätzlich,
und zugleich irgendwie vertraut. Er aber fuhr unbeirrt
fort in seiner Rede: „Ich habe Ihr Gespräch belauschtund bin somit über Ihr Vorhaben unterrichtet. Sie, meine
Herren, stehen kurz vor dem Ziel Ihrer Wünsche. Im Inneren
dieses Berges werden die Zeitmaschinen gebaut,
die soviel Unheil über das Zeitreisentum gebracht haben
und vielleicht weiter bringen werden.“
20. Ein Temporalsünder,
den die Reue gepackt hatte? Einfach so? — Die beiden
Inspektoren wußten nicht, ob sie dem Fremden trauen
sollten. Der jedoch, als habe er ihre Zweifel gespürt,
sprach weiter: „Wer weiß, ob es jemals gelingt, denen“
(er sagte wirklich „denen“) „das Handwerk zu legen. Ich
selbst habe es seinerzeit versucht — erfolglos. Überhaupt
war die Zeitreise sechs Strich drei von Anfang an . . .“
„Zeitreise sechs Strich drei?“ fragten Amarin und Geraldus
im Chor.
„Zeitreise sechs Strich drei“, bestätigte Bartholomäus
Anselm. „Meine letzte.“
„Dann seid Ihr . . ., dann sind Sie . . .“
„Jawohl, ich bin George McLuhan-Green. Das heißt, ich
war es. Wie kann ich diesen ehrlichen Namen noch tragen,
nachdem ich meiner Sache untreu geworden und in
die Fänge dieser Bande von Temporalrowdys, was sage
ich — Temporalverbrechern geraten bin? Der einstmals
große Detektiv ein kleiner Angestellter der Leute, die er
gejagt hat . . .“
„Wie konnte das geschehen?“ stammelte Amarin fassungslos.
21. Der Bericht,
den GMG alias Bartholomäus Anselm den beiden Inspektoren
gab, stockend, verzweifelt, den Tränen nahe,
immer wieder sich selbst anklagend, soll hier gerafft und
zusammenhängend wiedergegeben werden. Den Anfang
der Geschichte kennt der Leser bereits; wir setzen sie vondem Tage an fort, da GMG am Ufer des Rheins jener
Dame begegnet war, die ihn auf ihre Burg eingeladen
hatte.
22. Zu später Stunde
wurde die Gastgeberin vertraulich; der Gast imponierte
ihr offensichtlich, und er durfte sie mit dem Vornamen
anreden. Die Diener wurden weggeschickt. Met und
Wein schäumten im Magen des armen Zeitreisenden.
Die schöne Elsa indessen wurde immer anhänglicher;
mehr und mehr wollte sie hören von den Heldentaten
ihres Gastes.
Der ungewohnte Alkoholgenuß brachte ihn dazu, alle
möglichen Rittergeschichten auf sich selbst umzumünzen.
Er berichtete von
seiner
Jagd nach dem Gral, von
seinen
zahlreichen Siegen und ließ durchblicken, er habe
Aussichten, selbst Gralskönig zu werden. Schon stark
umnebelt waren seine Sinne, als sie ihn fragte, von wo er
eigentlich komme. Er lallte, wie früher, wenn er einen
Ulk gemacht hatte, so eine populäre Redensart, die
einem antiken Lustspiel oder dergleichen entstammte.
Dann entschlummerte er sanft in Elsas Armen.
23. Des Morgens,
als er erwachte, fand er sich in einem wohlausgestatteten
Gemach der Burg wieder, seine Kleidung und Waffen lagen
ordentlich auf einer Bank am Fenster. Er blickte hinaus,
sah den Rhein majestätisch dahinfließen und beschloß,
schleunigst, aber mit Anstand abzureisen. In
voller Montur betrat er den Burghof und fragte einen
Knappen nach der Burgherrin.
„Meint Ihr die Herzogin von Brabant? Gehet dorten die
Stiege zur Kemenate hinauf . . .“
GMG hörte nicht weiter zu und eilte zu den Gemächern
der Herzogin, um sich zu verabschieden; sie bat ihn jedoch
zu bleiben. Ihr Blick traf sein Herz, und er blieb.
Vorerst für eine Woche.
24. Elsa
war wirklich sehr nett zu ihm, allerdings auch sehr neugierig.
Er war nicht minder nett zu ihr, jedoch wenig gesprächig.
So entstand am Hofe das Gerücht, der fremde
Ritter trage schwer an einem großen Unglück oder bösen
Zauber, was damals so ziemlich dasselbe war. Der Temporaldetektiv
fühlte, wie es ihm zusehends schwerer fiel,
die Instruktionen einzuhalten, und eines Tages brach das
Unglück über ihn herein. Ganz harmlos begann ein folgenschweres
Gespräch beim sonntäglichen Kirchgang
(und nicht auf dem Wege zur Trauung, wie aus falsch informierten
Kreisen laut wurde). Elsa kam auf den ersten
Abend zu sprechen und fragte, was seine letzten Worte
vor dem Einschlafen zu bedeuten hätten. Er konnte
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