Die ersten Zeitreisen
Atlantis. Er sah sich vor dem
Kongreß der Atlantologen sprechen, ringsum andächtige
Zuhörer. Plötzlich tauchte Bert Brundels mit zur
Fratze verzerrtem Gesicht hämisch grinsend vor ihm auf,
zwischen den Zähnen die Karte von Atlantis, die er
schmatzend und rülpsend auffraß. Es war die Karte, die
Müsli damals mitgebracht hatte, und gleichzeitig die
Eselshaut, auf der er an diesem Abend gezeichnet
hatte.
In Schweiß gebadet, erwachte Professor Hieronymus
und war heilfroh, daß die Eselshaut ja völlig anders aussah
und viel größer war als jene Karte damals.
83. Der Morgen
dämmerte, und Müsli stand auf. Im Nebenzimmer hörte
er ein Knirschen. Er sah durch den Türspalt, wie der Priester
mit einem Messer die Eselshaut beschnitt. Bald hatte
sie das Maß der bekannten Karte, und neue Zweifel
überfielen Müsli. Er trat herzu und fragte, wozu dies gut
sei.
Der Priester antwortete: „Mein Lebtag hab ich nicht so
eine gute Geschichte gehört wie die von Atl-An-Tusch,
das muß jedoch im Jenseits liegen. Viele Tagesreisen weit
— auch mit dem schnellsten Boot — sind hier nur kleine
Inseln und schließlich das große Meer, das die Welt umschließt.
Ich will aber an die Küste ziehen und zum
Ruhme der Meergötter von Atl-An-Tusch berichten und
viel mehr predigen, die Götter werden mir danken, so
wie ich danke, o Fremdling.“
Müsli wurde blaß und wankte hinaus. Ihm war, als sollte
ihm das Herz brechen.
84. Alles war klar.
Alles war verloren. Vor ihm stand Dorschauge. Er selbst
war infolge der nachlässigen Tempometereinstellung ein
paar Wochen oder Monate vor seinem früheren Besuch
angekommen und hatte den Atlantismythos selbst geschaffen,
sogar die Karte war von seiner eigenen Hand.
Und er konnte nichts dagegen tun, wollte er nicht noch
mehr Verwirrung stiften.
Gebrochen wankte er zu seiner Zeitmaschine, während
die Sonne über den Azoren aufging. Von rotem Licht
übergossen, sah er seinen schönsten Traum in lodernden
Flammen aufgehen.
Alles war aus. Er sah keinen Sinn darin, in seine gute alte
Zukunft zurückzukehren, dort hatte er nichts mehr verloren.
Wie sollte er den anderen Atlantologen je wieder in
die Augen sehen können? Aber vielleicht . . . Er brauchte
ihnen ja nichts von seinem Mißgeschick erzählen.
Jahrtausende versanken, und Müsli war froh darüber:
Sollten sie nur recht tief versinken . . .
Inspektionsreise 7/1 [21]
oder Auf der Spur der Zeitbanditen
1. Diese Annalen
wären unvollständig ohne den Hinweis auf eine bedauerliche
Entwicklung, die merkwürdig anmutet, sich jedoch
bei kritischer Betrachtung des bisher Gesagten als logische
Folge erweist. Es handelt sich um den anscheinend
unaufhaltsamen und moralischen Verfall der Temponautik
und der Temponauten, je mehr wir uns in unserer
Betrachtung der Gegenwart nähern. Der Mystifikationsparagraph
wurde in zunehmendem Maße ignoriert,
wenn nicht gar bewußt untergraben. Die Bedrohung der
Vergangenheit durch instruktionswidrige Zeitreisen war
an der Grenze der Katastrophe angelangt.
2. Diese Misere
erforderte ein beherztes Eingreifen. So entstand unter
heftigen Kämpfen der VSV, das heißt der Vorfahrenschutzverein(der nach einigen Erfolgen natürlich auch
einen längeren Namen erhielt).
3. Diese Organisation
unternahm es, Detektive in die Vergangenheit zu entsenden,
die dort nach Temporalsündern fahndeten. Dabei
scheuten sie weder Mühen noch Opfer, und vor allem
aus den ersten Jahren des VSV sind Großtaten vieler mutiger
Vergangenheitsschützer bekannt, die damals noch
ganz auf sich allein gestellt das Wagnis einer Zeitinspektion
eingingen, so die Gründungsmitglieder des VSV Jan
Juřena, Kapitän Leon und George McLuhan-Green.
Letzterer, von seinen Freunden und Mitstreitern einfach
GMG genannt (und wir wollen es ebenso halten) wurde
zum Leitbild und ersten Märtyrer des Bundes, kehrte er
doch von seiner letzten Inspektionsreise (Nr. 6/3) nicht
zurück. „Der Vorfahrenschutzverein verlor in ihm einen
Mann der Tat, dessen Verstand und Gefühl einander
zwar wechselweise unterlagen, jedoch beide stets auf das
hohe Ziel unserer Vereinigung gerichtet waren.“ [22]
4. Inspektionsreise 6/3
führte den tapferen Detektiv nach Britannien zur Blütezeit
des Rittertums, da die ungewöhnlich große Verbreitung
von Drachen-, Zauberer- und Riesengeschichten
dem Mann mit einem Blick für temporale Umweltverschmutzung
reichlich zu denken gab. Er informierte sich
daher über Tristan, Iwein, Lanzelot, Parzifal und viele andere,
die in
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