Die ersten Zeitreisen
der Literatur nicht totzukriegen waren und so
die Unsterblickeit gefunden haben, der sie nachjagten,
als sie dem Lockruf des Grals folgten; denn der Gral verheißt
dem kühnen Ritter, der ihn erblickt, sieben Tage
Unsterblichkeit und ewige Jugend dem, der ihn täglich
sieht. Wen wundert’s wenn die Ritter dieser Legendenachjagten — und mit ihnen die Temporaldetektive.
Denn auch das Zauberwesen stand in hoher Blüte.
Klingsor und Merlin errangen Ruhm über Jahrhunderte
hinweg, die Zwerge Laurin und Alberich hatten Beziehungen
zu den höchsten Kreisen der Feudalgesellschaft.
Wenn zu irgendeiner Zeit Wunder für etwas Gewöhnliches
gehalten wurden, dann in diesem Zeitalter.
5. GMG
stöberte ein wenig in den wunderträchtigen Gegenden
der Insel Britannien herum, ohne jedoch auf Spuren illegaler
Zeitreisen zu stoßen, wie wir aus den Zwischenberichten
wissen, die er regelmäßig mit Zeitsonden an den
VSV sandte. Sehr betrübt setzte er zum Festland über und
richtete seine letzte Hoffnung auf die berühmten Schmieden
von Mime und Wieland, deren außergewöhnliche
Leistungen in der Metallverarbeitung den Anstoß zu
weitverbreiteten Legenden und Sagen gegeben hatten. Er
beschloß, rheinaufwärts zu reisen, und verwandelte die
Zeitmaschine mittels Raumbildprojektor in einen unscheinbaren
Kahn.
Die Kahnfahrt war aber bereits nach zwei Tagen beendet.
Beim Picknick am Rheinufer erblickte der Detektiv
eine schöne Frau mit kleinem, aber unzweifelhaft hochwohledlem
Gefolge, die ihn offenbar recht sympathisch
fand. Sie trat zu dem „fahrenden Ritter“ hin und lud ihn
ein, ihr Gast zu sein. Eigentlich hatte er ja anderes vor,
aber die Instruktionen geboten unauffälliges, also zeitgemäßes
Verhalten. Folgsam nahm er die Einladung an.
Höfischer Sitte gemäß gab er Kunde von Ereignissen aus
der weiten Welt.
6. Sein letzter Bericht
ist eine Woche nach der Begegnung mit jenem Edelfräulein
datiert. GMG teilt darin kurz und bündig mit, er
habe das Vertrauen der höfischen Gesellschaft erlangt,
sein Inkognito jedoch trotz der allgemeinen Neugierstreng gewahrt. Möglicherweise habe er endlich eine
heiße Spur entdeckt, die zu verfolgen aber einen längeren
Aufenthalt erfordere.
Seitdem war GMG verschollen, und die vorherrschende
Meinung im VSV besagte, er habe gewiß im heldenhaften
Kampf gegen das Temporalverbrechen den Tod gefunden.
7. Seine letzte Großtat
vor dem Start zu jener verhängnisvollen Inspektionsreise
6/3 war die in Fachkreisen vielbeachtete Vervollkommnung
des Temporalstartindikators von Brinke, Sohn &
Enkel. Mit diesem Gerät konnte festgestellt werden, daß
ein erheblicher Teil illegaler Zeitmaschinen den ersten
Start gar nicht in der Gegenwart durchgeführt hatte, folglich
in der Vergangenheit gebaut worden sein mußte. Die
Besatzungen allerdings entstammten der Gegenwart, andernfalls
läge ja eine Reise in die Zukunft vor, und alle
Bücher über Zeitreisen müßten geändert werden. Wie
schade, daß GMG des Ruhmes, den ihm diese geniale
Leistung einbrachte, nicht mehr teilhaftig wurde!
8. Ungebrochenen Mutes
jedoch verfolgte der Vorfahrenschutzverein weiterhin
sein edles Ziel. Vor allem galt es, die illegale Zeitmaschinenwerkstatt
in der Vergangenheit ausfindig zu machen.
Daran wurde mehrere Jahre intensiv gearbeitet. Noch
wirkten zu diesem löblichen Zwecke einige der Gründer
des VSV, doch schon war eine neue Generation von Vergangenheitsschützern
herangewachsen und vervielfachte
mit jugendlichem Elan die Aktivitäten der Organisation.
Langsam, aber stetig gelang es, die Hauptquelle
der temporalen Umweltverschmutzung räumlich und
zeitlich einzukreisen. Schließlich schickte man aufgrund
früherer Beobachtungen und sorgfältiger Recherchen
zwei bewährte Leute ins fränkische Land zur Zeit des
König Artus.
Und so verwundert es uns nicht, an einem schönen Septembertag
jenes Zeitalters zwei malerisch gekleidete Gestalten
im Harnisch hoch zu Roß auf der Straße nach
Antwerpen zu sehen, der eine heiteren Blicks sich an der
Schönheit herbstbunten Laubwaldes erfreuend, der andere
im Bewußtsein seiner bedeutenden Aufgabe die
Verse des Dichters Siegmar Erkner „Die Gebeine unsrer
Ahnen“ deklamierend.
9. Die letzten Sonnenstrahlen
vergoldeten den rostbedeckten Harnisch des Rezitators,
der im Wappen ein schützendes Dach über einem alten
Manne führte, als der andere, von stattlichem Wuchs, im
Wappen auf silbernem Grunde Schwert und Lanze über
dem Buchstaben T gekreuzt, zu sprechen begann.
„Die
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