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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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Gegend. „Gut, jetzt ist es nicht mehr weit. Ich stelle das Auto ab.“
    Rex sah zu ihr auf und nickte zustimmend.
    „Aua! Gute Idee, mich zu blenden.“
    Rex nahm die Taschenlampe aus dem Mund. „Tut mir leid.“ Er fing an, die Karte zusammenzufalten.
    Nachdem sie ihr Ziel jetzt fast erreicht hatten, war Melissa froh, dass sie gefahren waren. Mit den Fahrrädern hätten sie nicht nur zu wenig Zeit gehabt, sie wären außerdem den Darklingen schutzlos ausgeliefert gewesen. Ohne einen Packen von Dess’ Qualitätswaffen waren sie nicht sicher, und diesen einen Trip wollten Rex und sie für sich behalten.
    Sie hatten Dess nie von der Lehre des Gedankenlesens erzählt. Für jeden anderen waren die Fehler, die sie als Kinder gemacht hatten, schwer zu verstehen. Dess lief immer mit dem Gefühl durch die Gegend, dass sie übergangen wurde, wusste nicht zu schätzen, wie viel leichter sie es hatte. Damals, als es nur Rex und Melissa gab, mussten sie die Gesetze der blauen Zeit auf die harte Weise lernen.
    Melissa schauderte und holte ihre Gedanken in die Gegenwart zurück.
    Sie parkte ihren alten Ford einen Block weiter und schob den rechten Ärmel hoch, um auf ihre Uhr zu sehen. Noch drei Minuten.
    Rex fiel auf, dass sie schwarze Handschuhe trug. „Du siehst nach Attacke aus.“
    Sie grinste. „Wie heißt das Partygirl doch gleich?“
    „Constanza Grayfoot. Hast du noch nie von der gehört?“
    Melissa seufzte und schüttelte den Kopf. Nicht einmal Rex verstand wirklich, wie unerträglich die Schule für sie war. Melissa wusste von der Hälfte ihrer Lehrer nicht, wie sie hießen, und von den gesellschaftlichen Highschool-Größen erst recht nicht.
    „Egal, ihr Name spielt keine Rolle“, sagte er. „Solange du die Idee im Großen und Ganzen rüberbringst. Räum den Weg frei, der Rest geht von allein.“
    „Kein Problem.“
    Melissa sah noch einmal auf ihre Uhr, zwang sich zur Ruhe und schloss die Augen. Ganz in der Nähe summte ein wacher Geist, irgendein hirnloses Wunder, das sich Spätfilme reinzog. Noch sechzig Sekunden, dann kam Abhilfe.
    „Achte darauf, dass du beide gleichzeitig kriegst. Wir wollen den Freitag nicht verpassen, weil sich Eltern nicht einigen können.“
    „Rex, es wird locker gehen. Zeig mir einfach die Starren.“ Sie spürte, wie Rex ein Stich durchzuckte. Rex hasste es, wenn sie das Wort benutzte. „Sorry“, sagte sie mit bissigem Unterton. „Zeig mir einfach die nicht midnighttauglichen Personen, und ich erledige den Rest.“
    Rex wandte sich von ihr ab, starrte aus dem Fenster und sendete unglückliche Strahlung.
    Sie seufzte, streckte einen Arm aus und streichelte eine seiner Hände. Er sah überrascht nach unten, dann fiel ihm ein, dass die Handschuhe ihre Haut schützten. Er lächelte, aber für einen Moment schmeckte sie seine alte Verbitterung. Er teilte alle Gedanken mit ihr, zusammen mit schrecklichen Geheimnissen und einer verborgenen Welt, trotzdem würden sie sich nie berühren.
    „Rex, ehrlich, die Sache ist kinderleicht. Es wird nichts schiefgehen.“
    „Das sagst du immer.“
    „Die blaue Zeit ist ein laues Lüftchen, Rex. Hart ist die andere Realität.“
    Er wandte sich ihr zu, streckte einen Arm aus, seine Fingerspitzen verharrten wenige Zentimeter vor ihr. „Ich weiß.“
    „So hart wie vor acht Jahren wird es für mich nie wieder werden.“
    Er lachte. „Das erzählst du mir dauernd.“
    Die Suche war das Schlimmste gewesen, die erste Suche nach Rex. Melissa hatte ihn immer gespürt, noch bevor sie sprechen konnte. Wenn die blaue Zeit kam und der Lärm endlich aufhörte, blieb nur eine einzige Stimme übrig. Ein einsamer Geschmack, da draußen in der plötzlich leeren Welt, so zart wie ein eingebildeter Freund. Der Gedanke, dass es ihn wirklich gab, hatte sich über Jahre manifestiert. Schließlich war sie mehrere Kilometer bis zu seinem Haus in der geheimen Stunde gelaufen, mit acht Jahren in einem Schlafanzug, der mit Cowgirls bedruckt war, nicht wissend, ob sie träumte. Als sie sich dann gefunden hatten, wurde die ganze Sache real.
    Der Ruf war gerade noch rechtzeitig gekommen, erinnerte sie sich jetzt. Viel länger hätte sie die Einsamkeit nicht ertragen, ohne durchzudrehen.
    Melissa versuchte, ihre Gedanken zu entspannen, um sich auf die blaue Zeit vorzubereiten, auf die Aufgabe, die vor ihr lag. Mit tiefen Atemzügen wartete sie auf den Moment. Auf all den Lärm und das Chaos, auf rastlose Träume und Albträume, unterbewusste Ängste und reale

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