Die Erwaehlten
wie Rex Melissas Gesellschaft aushalten konnte. Er fröstelte. Nichts eigenes, nicht einmal im Kopf.
„Wir sind erst mal sicher, Jess. Und wenn du vielleicht irgendwann keinen Hausarrest mehr hast …“
„Mein Hausarrest ist heute geändert worden“, sagte sie.
„Das ist super! Warum hast du mir nichts gesagt?“, fragte er. Dann sah er ihren Blick. „Jess, warum ist das nicht super?“
„Na ja, jetzt darf ich morgen zu dieser Party gehen, draußen am Rustle’s Bottom.“
„Ach, die Schlangengrube.“ Jess hatte ihm vor ein paar Tagen von Rex’ Plan erzählt. Die Idee hatte sich schon ziemlich gefährlich angehört, als sie noch in weiter Ferne lag. Und jetzt, wo nur noch vierundzwanzig Stunden Zeit waren …
„Du weißt, dass das draußen in den Badlands ist.“
„Sie haben so was angedeutet. Rex meinte aber, es wäre der einzige Weg, herauszufinden, was ich bin“, sagte Jessica. „Dess kann dafür sorgen, dass es da draußen sicher ist, und Rex sagt, mein Talent könnte wichtig oder vielleicht für meinen Schutz zu gebrauchen sein. Im Museum hat er mir erzählt, dass es reichlich Talente gibt, die Arschtritte austeilen.“
„Wenn Rex zu dir sagt, du sollst von einer Klippe springen …“
„Jonathan“, antwortete sie lächelnd, „du wärst derjenige, der mir sagt, ich soll von einer Klippe springen.“
Jonathan grinste. „Kann sein. Aber ich würde mit dir springen.“
Sie zog ihn näher an sich heran. „Irgendwas muss ich tun, Jonathan. Ich kann nicht den Rest meines Lebens hier oben mit Rumsitzen verbringen.“
„Ich weiß.“ Er seufzte. „Also musst du tun, was Rex sagt. Schließlich ist er der Einzige, der die Bedienungsanleitung für die blaue Zeit hat.“
Jess sah ihm in die Augen. „Deshalb magst du ihn nicht, oder? Weil er die Lehre lesen kann, und du nicht.“
Jonathan sah sie verärgert an. „So einfach ist das nicht.“ Er schluckte, wobei er sich fragte, wie viel er ihr erzählen sollte. „Du kennst Rex und Melissa nicht so gut wie ich. Sagen wir einfach, ich traue Rex nicht. Ich glaube, er sagt nicht alles, was er weiß, auch nicht zu Melissa.“
„Warum sollte er das tun?“
„Weil er die ganze Sache unter Kontrolle halten will. Wenn jeder so viel weiß wie er, dann nimmt ihm das seine Macht als Seher.“
„Rex soll Informationen zurückhalten? Komm schon, Jonathan. Letztes Wochenende hat er mir im Museum fast sechs Stunden lang Zeug über die blaue Zeit erzählt. Ich musste ihm sagen, dass er aufhören soll, weil mir sonst der Schädel geplatzt wäre.“
„Sechs Stunden lang, aber von mir hat er nichts gesagt.“
Jessica blinzelte. „Also gut. Er hat irgendwie vergessen, dich zu erwähnen.“
Jonathan lächelte säuerlich. „Er wollte, dass du eine von seinen Midnightern bist.“
Sie seufzte und sah sich noch einmal um. Er folgte ihrem Blick über die Stadt bis zum Horizont. Von hier oben konnten sie alles überblicken, bis zur Stadtgrenze von Bixby, wo sich dunkle Häusergruppen in den Badlands verloren. Die niederen, flachen Ebenen leuchteten im dunklen Mondlicht, und die Berge dahinter waren schwarze Silhouetten vor den Sternen.
„Was soll ich also tun?“, fragte sie leise.
„Ich schätze, dir bleibt keine Wahl. Du musst tun, was Rex sagt.“ Jonathan seufzte. „Manchmal kommt mir diese ganze Mitternachtssache manipuliert vor.“
„Manipuliert?“
„Ja. Sie ist konstruiert. Wir haben alle unsere Talente. Rex liest die Lehre, ich fliege, Melissa liest Gedanken, Dess rechnet. Irgendwas tust du auch. Und am Ende sind wir alle voneinander abhängig, als ob wir zusammen ein Team bilden müssten.“
Jess drückte seine Hand. „Jonathan, was ist daran so schlimm?“
Er machte ein finsteres Gesicht. „Ich hab nicht drum gebeten, in einem Team mitzuspielen. Ich weiß auch gar nicht, wer das Team zusammengestellt hat.“
„Vielleicht hat uns das Schicksal zusammengeführt.“
„Ich hab auch nicht drum gebeten, in einem Team des Schicksals mitzuspielen.“ Er entzog ihr seine Hand. „Das sieht alles total manipuliert aus.“
Jess schüttelte ihren Kopf. „Jonathan, das ist nicht manipuliert. Das ist einfach das Leben.“
„Was für ein Leben? In dem Rex dir sagt, was du zu tun hast?“
„Nein, in dem man Hilfe braucht. Sich aneinander festhält.“
„So wie wir beiden hier oben?“
„Ja, ganz genau. So wie du mich hier festhältst und beschützt.“ Jessica stellte sich auf den schmalen Träger. Sie entfernte sich ein paar
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