Die Erzaehlungen 1900-1906
sich setzen.
Warum mußten wir eigentlich gerade heute den weiten Weg machen?
frag-
te ich ruppig.
Das will ich dir jetzt eben sagen, mein Sohn , erklärte sie im behaglichsten Ton, als hätte sie mein gereiztes Wesen gar nicht bemerkt.
Da drunten , fuhr sie fort und deutete gegen die Stadt hin,
kann man
nicht so recht miteinander reden, wie man wohl möchte, und ich habe Lust,
heute einmal ordentlich in Ruhe mit dir zu sprechen.
Das klingt ja feierlich , versuchte ich beklommen zu spotten.
Feierlich? Ich wüßte nicht , meinte sie unbeirrt.
Ich dachte nur, du
hättest mir vielleicht etwas mitzuteilen, was du drunten vor Papa und den
andern nicht sagen mochtest. Nicht?
Kein Gedanke!
lachte ich und wich ihrem Blick beharrlich aus.
Na, sei vernünftig!
schmeichelte Mama.
Sieh mal, mein Sohn, hier
ist der Siebenberg, und dort drunten ist die Stadt. Und dort ist dir etwas
passiert, das am besten hier in freier Luft besproc chen wird. Das wollen wir denn besorgen. Nachher, wenn wir wieder drunten sind, weiß keine Seele und
wir selber nicht, was hier auf dem Berg besprochen wurde . . .
Es entstand eine klägliche Pause.
Also, was wolltest du mich fragen?
stieß ich endlich heraus.
O, fragen
wollte ich dich gar nichts! Ich weiß schon genug!
Wieso? Was denn?
Zum Beispiel, daß du heute recht grob bist und es schon seit einiger Zeit
warst. Ferner, daß du nicht mehr angelst, sondern selber geangelt worden bist.
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Sodann, daß du lamentabel aussiehst und keinen Appetit hast. Schließlich
und letztens, daß du in Käthchen Stoll verliebt bist und ihr wie ein Pudel
nachläufst!
Woher weißt du das?
Was? Daß du grob warst?
Ach laß doch! Ich meine das mit der Stoll!
Richtig. Ja, das weiß ich eben!
Doch nicht von ihr – von ihr selber?
Sie lachte.
Nein, guter Junge; aber nimm an, jemand habe mir gesagt, du seiest in
sie verliebt, lassest dich von ihr gängeln und solltest dich dessen schämen.
Was sagtest du dazu? Ich möchte die Geschichte nun doch auch in deiner
Auffassung hören.
Da stand ich denn wie ein kleiner Junge, der seinen Napf verschüttet hat.
Was tun? Ich bekannte mich freimütig zu meiner Liebe und sagte, ich fände
daran nichts zu tadeln und würde zeitlebens dabei bleiben.
So, das hoffte ich zu hören , sagte die merkwürdige Frau zu meinem Er-
staunen.
Jetzt mußt du aber auch bei deiner Noblesse bleiben und mir ver-
sprechen, daß du mit einem ernsthaften Antrag so lange wartest, bis du auf
eigenen Füßen stehst. Das ist nicht mehr, als ich von jedem ehrenhaften Liebhaber erwarte.
Gut , sagte ich,
ich verspreche es. Aber unter der Bedingung, daß ich
mit Käthchen wie bisher in Ehren verkehren darf und daß du mit niemand
darüber redest . . .
Den Papa ausgenommen , fiel sie ein.
Den Papa ausgenommen, meinetwegen.
Ich gab ihr die Hand und kam mir wie ein rechter Mann vor. Wir stiegen
den Berg hinab und kamen ganz vergnügt daheim an, wo der Vater uns längst
vermißt hatte.
Ich wunderte mich nun, daß die Mutter wirklich nie mehr auf diese Sache zu
sprechen kam. Sie aber als eine kluge und scharfäugige Frau wußte von Anfang an, daß auf die Dauer Käthchen und ich gar nicht zusammen paßten und daß
ich nur in Leichtsinn und knabenhafter Übereilung mich von den hübschen
Augen des Mädchens hatte fangen lassen. Sie ließ ruhig meine eigene gesunde
Natur walten und hatte nur den Druck des Geheimnisses, der die Leidenschaft
verdoppelte, von mir nehmen und mich namentlich vor einer unüberlegten
Verlobung bewahren wollen. Es verging kaum ein Vierteljahr, da war ich jener flüchtigen Verblendung ledig und hatte mich von Käthchen Stoll in allem
Frieden getrennt.
Nun aber erlaubte ich mir eine scherzhafte Feier. Ich bestellte vor unser Haus einen hübschen Mietwagen und lud meine Mutter zu einer Spazierfahrt ein,
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was sie verwundert annahm. Der vorher instruierte Kutscher führte uns auf
Umwegen auf den Siebenberg. Die Mutter tadelte anfangs meine Üppigkeit,
schloß sich aber meiner ausgelassen fröhlichen Stimmung an und war voll
versteckter Neugierde, was dies bedeute. Wir schwatzten darauf los und kamen oben so vergnügt wie zwei entlaufene Schulknaben an.
Droben ward ich plötzlich ernst, schickte den Kutscher beiseite und bat die
Mutter, auf der Bank Platz zu nehmen. Sie saß am selben Fleck wie damals.
Leider , hob ich an,
muß ich dir eine traurige und für mich beschämende
Mitteilung machen. Ich bedaure nun, daß
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