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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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dem Schwäbischen Hof? Da war seinerzeit einer namens
    Schuster drauf.
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    Der ist noch da, und das Haus gilt für gut.
    Dann will ich dort einkehren.
    Mehrmals machte mein Begleiter Miene, sich mir vorzustellen, doch ließ ich
    es nicht dazu kommen. So fuhren wir durch den lichten, farbigen Tag.
    Es geht so doch ringer als zu Fuß , meinte der Ilgenberger.
    Aber zu Fuß ist es gesünder.
    Wenn man gute Stiefel hat. Übrigens ist Ihr Gaul ein lustiger Patron, mit
    seinen Flecken.
    Er seufzte ein wenig und lachte dann.
    Fällt’s Ihnen auch auf? Freilich, die Flecken sind gespäßig. In der Stadt
    haben sie ihn mir >die Kuh< getauft, und man soll die Leute spotten lassen, aber es ärgert mich doch.
    Gehalten ist das Tier gut.
    Nicht wahr? Es geht ihm nichts ab. Sehen Sie, ich hab das Rößlein gern.
    Jetzt spitzt es schon die Ohren, weil wir von ihm reden. Es ist sieben Jahr
    alt.
    In der letzten Stunde redeten wir wenig mehr. Mein Begleiter schien er-
    müdet, und mir nahm der Anblick der mit jedem Schritt vertrauter werden-
    den Gegend alle Gedanken gefangen. Ein bang-köstliches Gefühl, Orte der
    Jugendzeit wiederzusehen! Erinnerungen blitzen in verwirrender Menge auf,
    man lebt ganze Entwicklungen in traumhafter Sekundeneile wieder durch, un-
    wiederbringlich Verlorenes blickt uns heimatlich und schmerzlich an.
    Eine schwache Erhöhung, über die unser Wagen im Trabe lief, öffnete den
    Blick auf die Stadt. Zwei Kirchen, ein Mauerturm, der hohe Rathausgiebel
    lachten aus dem Gewirr der Häuser, Gassen und Gärten herüber. Daß ich
    den humoristischen Zwiebelturm einmal mit Rührung und klopfendem Herzen
    begrüßen würde, hätte ich damals nicht gedacht. Er schielte mich mit seinem
    heimlichen Kupferglanz behaglich an, als kenne er mich noch und als habe er
    schon ganz andere Ausreißer und Weltstürmer als bescheidene und stille Leute heimkommen sehen.
    Noch sah ich die unvermeidlichen Veränderungen, Neubauten und Vorstadt-
    straßen nicht, alles sah aus wie vorzeiten, und mich überfiel beim Anblick die Erinnerung wie ein heißer Südsturm. Unter diesen Türmen und Dächern hatte ich die märchenhafte Jugendzeit gelebt, sehnsuchtsvolle Tage und Nächte,
    wunderbare schwermütige Frühlinge und lange, in der schlecht geheizten Man-
    sarde verträumte Winter. In diesen Gartensträßchen war ich nachts in Liebes-
    zeiten brennend und verzweifelnd umhergewandert, den heißen Kopf voll von
    abenteuerlichen Plänen. Und hier war ich glücklich gewesen über den Gruß ei-
    nes Mädchens und über die ersten schüchternen Gespräche und Küsse unserer
    Liebe.
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    Ja, es zieht sich noch , sagte der Kaufmann,
    aber in zehn Minuten sind
    wir daheim.
    Daheim! dachte ich. Du hast gut reden.
    Garten um Garten, Bild um Bild glitt an mir vorüber, Dinge, an die ich nie
    mehr gedacht hatte und die mich nun empfingen, als sei ich nur für Stunden
    fortgewesen. Ich hielt es nimmer im Wagen aus.
    Bitte, halten Sie einen Augenblick, ich gehe von hier vollends zu Fuß hin-
    ein.
    Etwas erstaunt zog er die Zügel an und ließ mich absteigen. Ich hatte ihm
    schon gedankt und die Hand gedrückt und wollte gehen, da hustete er und
    sagte:
    Vielleicht sehen wir uns noch, wenn Sie im Schwäbischen Hof wohnen
    wollen. Darf ich um Ihren Namen bitten?
    Zugleich stellte er sich vor. Er hieß Herschel und war, ich konnte nicht
    zweifeln, Julies Mann.
    Ich hätte ihn am liebsten erschlagen, doch nannte ich meinen Namen, zog
    den Hut und ließ ihn weiterfahren. Also das war Herr Herschel. Ein ange-
    nehmer Mann, und wohlhabend. Wenn ich an Julie dachte, was für ein stolzes
    und prächtiges Mädchen sie gewesen war und wie sie meine damaligen phanta-
    stisch kühnen Ansichten und Lebenspläne verstanden und geteilt hatte, dann
    würgte es mich im Hals. Mein Zorn war augenblicks verflogen. Gedankenlos in
    tiefer Traurigkeit ging ich durch die alte, kahle Kastanienallee in das Städtchen hinein.
    Im Gasthaus war gegen früher alles ein wenig feiner und modern geworden,
    es gab sogar ein Billard und vernickelte Serviettenbehälter, die wie Globusse aussahen. Der Wirt war noch derselbe, Küche und Keller waren einfach und
    gut geblieben. Im alten Hof stand noch der schlanke Ahornbaum und lief
    noch der zweiröhrige Trogbrunnen, in deren kühler Nachbarschaft ich manche
    warme Sommerabende bei einem Bier vertrödelt hatte.
    Nach dem Essen machte ich mich auf und schlenderte langsam durch die
    wenig veränderten Straßen, las die alten

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