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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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dem Schaufenster hielten wir Kriegsrat, und es wurde beschlos-
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    sen, die Intrige durch einen schlichten Ladenbesuch einzuleiten. Drei Pfennige wurden zusammengeschossen, und mich traf das Los, die Fehde zu eröffnen.
    Ich sollte in den Laden gehen und nach allerlei Dingen im Preise von drei
    Pfennig fragen, das Geld aber nur im schlimmsten Notfall ausgeben. Dann
    würden wir weiter sehen.
    Die Klingel ertönte, und mit freundlichem Gruße kam ich in den Laden, in
    dem schon Licht brannte. Mißtrauisch empfing mich der hinter Bonbongläsern,
    Zuckerhüten und Kaffeebüchsen nahezu unsichtbare Sammetwedel. Ohne Zwei-
    fel ahnte er, da er mich kannte, meine ruchlosen Absichten, aber Frömmigkeit und kaufmännische Diplomatie nötigten ihn zum Höflichsein. Ich pflegte für
    meine Mama nicht selten einige Pfund Zucker, Salz, Grieß oder Reis bei ihm
    zu holen, war also ein alter Kunde.
    Was willst haben, Bub?
    Ich weiß noch nicht bestimmt. – Haben Sie Schneeberger Schnupftabak?
    Während der Krämer nach seiner Schublade ging und mir den Rücken zu-
    wendete, sah ich an der Scheibe der Ladentür meine Kameraden lauern – drei
    vorsichtig emporgereckte, indianerschlaue Gesichter mit pfiffigen Spionsaugen.
    Ich zwinkerte ihnen heimlich zu.
    Indessen kehrte der Sammetwedel mit leeren Händen zurück. Das Glück war
    mir hold, es gab keinen Schneeberger mehr!
    Aber bis in vier, fünf Tagen trifft wieder eine Sendung ein, er ist schon
    bestellt. Dann kannst du ja wiederkommen , sagte Samuel.
    Ich stellte mich entrüstet.
    Das ist aber schade! Gar keinen Schneeberger mehr! – Aber haben Sie an-
    dern Schnupftabak?
    Jawohl, vier- oder fünferlei, Sorten.
    Und er stellte mehrere Büchsen vor mir auf. Ich fragte eingehend nach Preis
    und Güte jeder Sorte, schwankte endlich zwischen zweien, konnte mich nicht
    entschließen und nahm schließlich eine Prise zum Probieren. Ein vehementes
    Lachen, das vor der Tür auf der Gasse draußen losbrach, machte mich besorgt.
    Ich beschloß, mich für diesmal zurückzuziehen.
    Also, danke schön. Ich komme dieser Tage dann nochmals her, wenn es
    wieder Schneeberger gibt. Ich wollte doch eigentlich Schneeberger haben.
    Mit höflichem Gruß verließ ich den Laden und stattete meinen Spießgesellen
    Bericht ab, gab ihnen auch ihre zwei Pfennig wieder. Der dritte hatte mir
    gehört. Auf dem Heimweg lachten wir noch viel und berieten uns eifrig. Dann
    war unser Schlachtplan entworfen.
    Am folgenden Tage erschienen, mit angemessenen Pausen natürlich, etwa
    dreißig Schuljungen hintereinander beim Sammelwedel, die alle Schneeberger
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    Schnupftabak verlangten. Am zweiten Tage wiederholte und verdoppelte sich
    dieses Spiel. Der sanftmütige Kaufmann schnitt anfänglich saure Gesichter,
    dann wurde er grimmig, schließlich aber geriet er in Raserei und schrie:
    Hin-
    aus!
    sobald er das Wort Schneeberger hörte. Vor der Ladentür aber standen
    wir alle selig wartend und begrüßten jeden seiner Zornesausbrüche mit Zuruf
    und Wonnegeschrei.
    Am Abend des dritten Tages gelüstete es mich mächtig, selber noch einmal
    beim Sammelwedel vorzusprechen. Es war doch noch ganz anders, drinnen zu
    stehen und seine Wut zu sehen, als nur so vom Fenster oder von der Tür aus
    sich verstohlen darüber zu freuen. Also faßte ich Mut. Ich ging hinein, sagte sittsam
    Grüß Gott!
    und schwoll vor verhaltenem Lachen.
    Wie ist’s nun mit dem Schneeberger?
    fragte ich bescheiden. Natürlich
    glaubte ich bestimmt zu wissen, daß der Tabak unmöglich da sein könne.
    Der Mann warf mir einen gesalzenen Zornblick zu. Doch sagte er nichts,
    sondern stellte zu meinem peinlichsten Erstaunen eine Schachtel vor mich
    hin, die den soeben eingetroffenen Tabak enthielt. Ich hatte keinen Pfennig
    im Besitz und fing nun an, mich der Lage nicht mehr gewachsen zu fühlen. Vor der Tür brach das ganze Rudel meiner Kameraden in ein tolles Gelächter aus.
    Sie hatten jetzt den doppelten Genuß, den Sammelwedel im höchsten Ärger
    und mich in der Klemme zu sehen. Mir wurde eng ums Herz.
    Ich nahm die verwünschte Schachtel in die Hand, roch verlegen an dem
    Schneeberger und stellte sie dann wieder zurück.
    Es ist doch nicht der richtige , sagte ich schließlich frech und näherte mich eiligst dem Ausgang.
    Da ereignete sich etwas Außerordentliches. Der sanfte Samuel verlor den
    letzten Rest seiner Würde, sprang schnaubend hinter dem breiten Ladentisch
    hervor und stürzte mir nach auf die Gasse, mit fliegenden Rockschößen

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