Die Erzaehlungen 1900-1906
und mit allerlei Fachausdrücken durchsetzte
Billardge-
schichte
dagegen spielt wieder in Basel, im damaligen Gasthaus
Storchen ,
das, wie das
Metropol , ein Mekka für Billardfreunde gewesen sein muß. Hes-
ses Chef, der Antiquar E. von Wattenwyl, zählte zu ihnen und noch manch
anderer seiner Kollegen und Freunde, deren spezielle Spieltechniken Hesse damals in einem gereimten
Billard-ABC für Basel
festgehalten hat (vgl. Die
Gedichte, SW 10). Er selber frönte dieser Passion noch lange Zeit mit solcher Leidenschaft, daß man den gewaltsamen Ausgang der in dieser Geschichte
dargestellten psychologischen Konstellation nachvollziehen kann.
Einen weiteren Einblick in Hesses Basler Lehrjahre gibt die 1905 im Rück-
blick geschriebene Schilderung
Der Städtebauer . Erwähnt wird darin der
Klub der Entgleisten , für den Hesse damals ein poetisches Clubbuch an-
legte, das
unserem toten Bruder Verlaine
gewidmet war. Bei der Gestalt
des Städtebauers dachte er vermutlich an den jungen Architekten Hans Drach.
Mit ihm und dem fünf Jahre älteren Rathausbaumeister Heinrich Jennen teilte
Hesse vom Oktober 1899 bis April 1900 eine Wohngemeinschaft in der Basler
Holbeinstraße (siehe
Das Rathaus , Jugendschriften SW 1). Das Stammlokal
der beiden ist das ehemalige, später auch im Steppenwolf ( als Stahlhelm )
vorkommende
Restaurant Helm
am Basler Fischmarkt. Die architektoni-
schen Träume des Städtebauers, die sich abheben von der Anlage der Certosa
di Pavia (ein Kartäuserkloster, das Hesse im März 1901 besucht hatte), wir-
ken wie eine Vorwegnahme seiner Vorstellungen vom Aussehen der Landschul-
zentren seiner Gelehrtenprovinz Kastalien, die Hesse dreißig Jahre später im Glasperlenspiel skizzieren wird.
Die märchenhafte Spukgeschichte
Wenkenhof
spielt in einem Neben-
gebäude des gleichnamigen in Riehen bei Basel gelegenen barocken Gutshofes,
dem Landsitz des Basler Staatsarchivars Dr. Rudolf Wackernagel. Zu seinen
Gesellschaften waren Hesse und seine Architektenfreunde häufig eingeladen.
Er hat auf dem
Riehenhof
(so nennt er das Gebäude in Hermann Lauscher
487
und in der Erstfassung des Gertrud -Romans) mitunter auch übernachtet,
wenn es abends zu spät wurde, um noch in die fünf Kilometer entfernte Stadt
zurückzulaufen. Die auf dem Tisch der Gastgeber aufgeschlagene Geschichte
der Prinzessin Brambilla von E. T. A. Hoffman mit Kupferstichen von Jac-
ques Callot mag den Ich-Erzähler zu jenem eifersüchtigen Traum von dem
nach Mitternacht um die schöne Pianistin werbenden Vorfahren des Gastge-
bers angeregt haben, der dann auf so unsanfte Weise hinauskomplimentiert
wird.
Die anrührende und besonders häufig in Schullesebüchern gedruckte Ge-
schichte
Der Wolf
enddämonisiert die angebliche Bestialität dieses in Mit-
teleuropa fast ausgerotteten Tieres, indem sie den Menschen
wölfischer
als
den Wolf darstellt. Ort der Handlung ist der 1600 Meter hohe Chasseral-
Gebirgszug bei St. Imier (St. Immer) nordwestlich von Neuchâtel. Die Erzähl-
ung entstand, wie Hesse 1955 auf Anfrage einer Schulklasse berichtete,
aus
zwei Anlässen. Erstens fuhr ich damals um 1900 als junger Mann zuweilen mit
Kameraden im Winter für einen Sonntag von Basel in den Jura; einige eisig
glitzernde Mondnächte in den verschneiten Wäldern sind mir noch jetzt im
Gedächtnis. Und dann las ich, ein Jahr oder zwei später in der Zeitung vom
Auftauchen einiger Wölfe im westlichen Jura und daß einer von den Bauern
erschlagen worden sei. Das sind die einfachen Tatsachen.
Durch seine Iden-
tifikation mit dem verfolgten Einzelgänger gibt Hesse der Pressenotiz eine
neue Dimension, welche seine eigene, die künftige Steppenwolf -Problematik
vorwegnimmt.
In der zwei Jahre nach seiner Heirat und dem gleichzeitigen Umzug an den
Bodensee geschriebenen Kurzgeschichte
Liebesopfer
blickt er zurück auf
seine Antiquariats-Lehrzeit in Basel. In diesem Beruf,
einem Asyl für Ent-
gleiste jeder Art , hatte er durch einen älteren Kollegen, am Abend seines Geburtstages im Juli, von einer Spielart der Liebe erfahren, die ein ganzes Leben auf den Kopf stellte. Die im selben Jahr 1906 entstandenen Geschichten
Lie-
be ,
Brief eines Jünglings ,
Nocturne Es-Dur
Eine Sonate
und
Eine
Fußreise im Herbst
variieren dieses Thema, das ihm damals durch seine Ehe
wieder zum Problem geworden war (siehe auch die beiden Frühfassungen des
Romans Gertrud, SW 2). Denn das Erreichte, auch
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