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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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bekam. Er war wütend und ich mußte darauf denken, ein Ende zu
    machen. Vielerlei Pläne überlegte ich mit dem Bäcker, bis einer uns end-
    lich gut schien. Wir beschlossen nämlich, den Liebhaber nächstens zu einem
    Ständchen zu veranlassen und dafür zu sorgen, daß er dabei Prügel bekäme,
    dann würde er sich das ganze Unternehmen leichter aus dem Kopfe schlagen.
    Der Plan war leicht auszuführen. Weil der gute Deutsche weder einen Ton
    singen, noch Gitarre spielen konnte, erbot ich mich, den Musikanten zu ma-
    chen; für die Prügel wurden zwei Bekannte des Bäckers bestellt. Und so kamen wir denn eines schönen Abends in den Hof der Signora. Ich stellte mich im
    Schatten auf und sang so schön, daß der Herr mein Tremolo höchlich bewun-
    derte. Ich sang zwei lange Lieder durch und wollte eben das dritte anstimmen, als die Kellertür sich öffnete und zwei Burschen mit starken Rebstöcken her-vorstürzten. Ich nahm mein Instrument unter den Arm und war in derselben
    Sekunde verschwunden, erwartete aber auf dem Domplatze vor dem Café mei-
    nen Herrn, der nach einer Viertelstunde keuchend dahin kam. Er war elend
    durchgeprügelt worden, blutete an einer Hand und sah im Gesicht schneeweiß
    aus. Doch verbiß er seinen Schmerz und fragte mich sogar mit Teilnahme, ob
    ich heil davongekommen sei. Ich antwortete, daß ich zwar einige schmerzliche Hiebe auf den Rücken erhalten hätte, doch unverletzt sei und der Madonna
    für unsere Rettung danke, da mit den Burschen von Prato bekanntlich nicht
    gut Kirschen essen sei. Übrigens hörte ich nun zu meiner großen Erleichte-
    rung, daß mein braver Herr von der Liebe und dem Prügeln genug habe und
    in seinem Leben diese Stadt des Unglückes nicht wieder zu sehen begehre.
    Damit schien mir der ganze Handel erledigt, mit dem ich durchaus zufrieden
    sein konnte. Das Beste folgte aber noch.
    Andern Tages nämlich bekam ich den Auftrag, in der Wohnung des Freundes
    zu erscheinen. Natürlich glaubte ich, er habe nun die Sache durchschaut, würde mich schnöde behandeln und Rechenschaft über das Geld verlangen, das er mir
    für die Geschenke gegeben hatte. Aber ich hatte mich getäuscht. Er klopfte
    mir freundlich auf die Achsel, sagte, er sei für meine gestrige Musik und für die Schläge, die mich getroffen hätten, noch in meiner Schuld und drückte mir ein ganz schönes Stück Geld in die Hand. Bei Gott, so sonderbar wie damals
    ist mir nie mehr zumute gewesen.
    Jawohl, die Deutschen sind gute Leute, wie ich immer sage, deshalb allein,
    ihr Herren, habe ich euch auch heute den vorzüglichen Wein verschafft, den
    sonst kein Fremder je zu trinken bekommt.
    (1902)
    64
    Eine Billardgeschichte
    Herr Oskar Anton Legager war ein vortrefflicher Billardspieler. Wenn er im
    Storchen unter der Tür erschien, lief stets eine vor Eile und Höflichkeit atemlose Kellnerin herzu, um ihm Hut und Stock abzunehmen, während der Mar-
    queur Herrn Legagers Queue aus dem verschlossenen Wandschrank holte und
    ihm mit tiefem Bückling überreichte. Sodann brachte er aus einer verschlos-
    senen Schublade Herrn Legagers eigene Elfenbeinbälle, bürstete das für Herrn Legager reservierte Billard ab und zündete das Gaslicht an, während Legager
    seinen Wein oder Kaffee bestellte und seinen grauen Gehrock ablegte, denn er spielte stets in Hemdärmeln.
    Sein Queue war ein Kabinettsstück, dick und doch leicht, nur 260 Gramm,
    aus dreifarbigem amerikanischem Holz gearbeitet, mit geripptem Griff, zise-
    lierten Ornamenten und weiß auf schwarz eingelegtem Monogramm, in wel-
    chem die Buchstaben O. A. L. kunstvoll ineinander verwachsen und von einem
    weißen Blätterkranz umflochten waren.
    Auch seine Bälle waren von erster Qualität. Außerdem führte er eine eigene
    Sorte von teurer grüner Kreide, in einem praktischen Futteral aus Gummi,
    ebenfalls mit Monogramm versehen.
    Wenn Legager seinen grauen Gehrock abgelegt, die Hände gewaschen und
    sorgfältig abgetrocknet und die Lederkappe seines Queue peinlich untersucht
    hatte, pflegte er mit herausfordernden Blicken umherzuschauen, während er
    die in Gummi gefaßte Kreide aus der Hosentasche zog. Dann kreidete er
    umständlich und wartete.
    Gewöhnlich kam sogleich irgendeiner der Gäste und bot sich als Partner an.
    Herr Legager gab jedem Spieler fünfzig Punkte auf hundert vor. Außerdem
    spielte er, wenn sein Gegner schwach war, alle Bälle indirekt und jeden fünften Ball als Vorbänder. Trotzdem gewann er fast immer, pflegte jedoch

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