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Die Erzaehlungen 1900-1906

Die Erzaehlungen 1900-1906

Titel: Die Erzaehlungen 1900-1906 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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erwiderte keinen Ton, er hörte aufmerksam zu, schloß die Augen und machte ein leidendes Gesicht. Nach
    fünf Minuten waren wir schon wieder im Besuchszimmer, wo wir Hans allein
    wartend fanden.
    Ich höre da merkwürdige Sachen, sagte der Oberförster mit künstlich fester
    Stimme, immerhin scheint meine Tochter Ihnen einige Avancen gemacht zu
    haben. Nur vergaßen Sie, daß Salome noch ein Kind ist.
    Ein Kind, sagte er, ein Kind!
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    Ich werde das Mädchen zur Rede stellen und erwarte Sie morgen um diese
    Zeit zu einer weiteren Aussprache. Mit einer steifen Gebärde entließ er uns und wir schlichen still und demütig nach Hause. Plötzlich mußten wir aber eilen, denn über unserem Städtchen brach ein tolles Gewitter aus, und trotz aller
    Sorge im Herzen liefen wir doch wie die Windhunde, um unsere Staatsröcke
    zu retten.
    Beim Mittagessen war mein Onkel von einer gewaltsam heiteren Laune; wir
    drei jungen Leute hatten aber weder zum Essen noch zum Reden viel Lust.
    Berta hatte einstweilen nur gefühlt, daß Hans ihr irgendwie entfremdet sei,
    und blickte nun traurig und angstvoll bald mich, bald den Amstein an, daß es einem bis in die Knochen ging.
    Nach dem Essen legten wir uns mit Zigarren auf den Holzbalkon und hörten
    dem Donnern zu. Auf dem glühenden Erdboden verdampfte der Regen in
    Schwaden und füllte alle Wiesen und Gärten mit Nebel an, die Luft war voll
    von Wasserdunst und starkem Grasgeruch. Ich mochte nicht mit Hans spre-
    chen, ein Gefühl von Ärger und Bitterkeit befiel mich gegen ihn, und sooft ich ihn ansah, fiel der Anblick von gestern mir wieder ein, wie er und das Mädchen stumm und mit Gewalt aneinandergepreßt den Garten verließen. Ich machte
    mir bittere Vorwürfe darüber, daß ich das Nachtabenteuer dem Oberförster
    verraten hatte, und ich erfuhr, wie schwer man um ein Weib leiden kann, auch wenn man verzichtet hat und sie nicht einmal mehr haben möchte. Plötzlich
    ging die Balkontür auf, und es trat eine große, dunkle Gestalt herein, von
    Regen triefend. Erst als sie den langen Mantel auseinanderschlug, erkannte
    ich die schöne Salome, und ehe noch ein Wort gesprochen war, drückte ich
    mich an ihr vorbei durch die Tür, die sie sogleich schloß. In der Wohnstube
    saß Berta bei einer Handarbeit und sah bekümmert aus. Einen Augenblick
    überwog in mir das Mitleid mit dem verlassenen Mädchen alles andere.
    Berta, auf dem Balkon ist die Salome beim Hans Amstein, sagte ich zu ihr.
    Da stand sie auf, legte ihre Arbeit weg und wurde weiß im Gesicht. Ich sah,
    wie sie zitterte, und ich dachte, sie würde nun sogleich in Tränen ausbrechen.
    Aber sie biß sich in die Lippen und blieb stramm.
    Ich muß hinübergehen, sagte sie plötzlich und ging. Ich schaute zu, wie sie
    sich steif aufrecht hielt, wie sie die Balkontür aufmachte und hinter sich wieder schloß. Eine Weile sah ich die Tür an und versuchte mir vorzustellen, was jetzt da draußen geschehe. Aber ich hatte nichts dabei zu tun. Ich ging in meine
    Stube hinunter, legte mich auf zwei Stühle, rauchte und hörte dem Regen zu.
    Ich versuchte mir vorzustellen, was nun droben zwischen den dreien vorgehe,
    und diesmal war mir’s am meisten um die Berta leid.
    Der Regen hatte längst aufgehört, und der warme Boden war schon fast
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    überall wieder trocken. Ich ging in die Wohnstube hinauf, wo Berta den Tisch deckte.
    Ist die Salome fort? fragte ich.
    Schon lange. Wo warst du denn?
    Ich habe geschlafen. Wo ist Hans?
    Ausgegangen.
    Was habt ihr miteinander gehabt?
    Ach, laß mich!
    Nein, ich ließ sie nicht; sie mußte erzählen. Sie tat es leise und ruhig und sah mich aus einem blassen Gesichtchen heraus mit stiller Festigkeit an. Das sanfte Mädchen war tapferer, als ich geglaubt hatte, und vielleicht tapferer als wir beiden Männer.
    Als Berta den Balkon betreten hatte, war Hans vor der hochmütig aufgerich-
    teten Salome gekniet. Die Berta nahm sich mit Gewalt zusammen. Sie zwang
    den Amstein, aufzustehen und ihr Rechenschaft zu geben. Da berichtete er ihr alles, die Salome aber stand daneben, hörte zu und lachte zuweilen. Als er zu Ende war, entstand ein Schweigen und dauerte so lange, bis die Salome ihren
    Mantel wieder umnahm und gehen wollte. Da sagte Berta: Du bleibst da! und
    zu Hans: Sie hat dich eingefangen, jetzt muß sie dich auch haben; zwischen
    mir und dir ist es ja doch vorbei!
    Was die Salome nun antwortete, erfuhr ich nicht genau. Aber es muß bös
    gewesen sein – sie hat kein Herz im Leib,

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