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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Bode
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Lebensmittel-Laboranten das Schicksal von »Essensis« zu wünschen. »Essensis« war ein zweiter, ebenso überteuerter wie überzuckerter Joghurt von Danone, der den Teint glätten sollte. Ein löffelbarer »Schönheit-von-innen-Joghurt« aus dem Kühlregal, der eine bessere Haut-Gesundheit versprach, unter anderem durch den Einsatz von Vitamin E, Antioxidantien aus Grüntee-Derivaten, Joghurt und Borretschöl. 2007 auf den Markt gebracht, nahm Danone das Kosmetikprodukt im Gewand eines Lebensmittels im Stammland Frankreich nach zwei Jahren wieder vom Markt. Welch ein Segen.
    Gleichzeitig gibt es immer neue Versuche, die Grenzen weiter zu verschieben. Die Großmolkerei Seoul Milk in Südkorea entwickelte einen probiotischen Trinkjoghurt, der unter anderem mit der Aminosäure Taurin und dem Aminosäurenkomplex Glutathion angereichert ist und die Erfüllung für jeden Functional-Food-Anhänger bedeuten muss: Der Name des Joghurts lautet »Never Die«. Genau betrachtet ist Danone schon lange an diesem Punkt angelangt, auch wenn noch der Mut zur semantischen Klarheit fehlt. Aber Danones Health-Claim, »Jeden Tag besser und gesünder leben«, bedeutet – zu Ende gedacht – genau dies: Wer jeden Tag gesünder lebt, hat keinen Anlass, je zu sterben.

3 Auf der Suche nach der
verlorenen Qualität –
die Traditionslüge
    Über US -Amerikaner erzählte man sich früher, sie hätten die Vorstellung, der VW Käfer würde von Zwergen im Schwarzwald gebaut. Dieses nett naive Bild verwandelte das urige, irgendwie liebenswerte Auto in etwas anderes als ein banales Produkt industrieller Massenfertigung, der Käfer verkörperte nicht einfach eine kalte Ingenieurleistung. Die emotionale Phantasie verknüpfte den Kleinwagen mit den sympathischen Schwarzwald-Zwergen und ihren geschickten, immerfleißigen Händchen.
    Ganz ähnlich verhält es sich heute mit dem Schwarzwälder Schinken und vielen anderen angeblich »regionalen« und »traditionellen« Lebensmitteln – mit dem Unterschied, dass es hier die Hersteller selbst sind, die bizarre Legenden um ihre Produkte stricken. Mitunter kann man den Eindruck gewinnen, Schinken oder Tomatensaucen zu produzieren sei im Wesentlichen dasselbe wie ein Filmstudio in Hollywood zu betreiben – so sehr betätigen sich manche Lebensmittelunternehmen als Illusionserzeuger und Kulissenschieber.
    Exemplarisch lässt sich die Geschichte der Verbrauchertäuschung durch emotionale Aufladung am Schwarzwälder Schinken der Firma Abraham erzählen. Mit einer Jahresproduktion von rund 24 000 Tonnen in sechs Betrieben in Deutschland, Belgien und Spanien ist Abraham Europas größter Produzent von geräuchertem und luftgetrocknetem Schinken und Marktführer in Deutschland; Firmenchef Jürgen Abraham gehört als Vorsitzender der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie zu den Mächtigen der Branche. Seinen Schwarzwälder Schinken lässt Abraham, dessen Hauptsitz in Seevetal bei Hamburg ist, im 700 Kilometer entfernten Schwarzwaldstädtchen Schiltach im Kinzigtal produzieren. Der Luftkurort sieht aus, als wäre er von einer Modelleisenbahn im 1:1-Maßstab in die Wirklichkeit geplumpst: Gässchen mit Kopfsteinpflaster, mehr Fachwerk als sich das Schwarzwaldtouristenherz je erträumt hat, der Gasthof am historischen Marktplatz heißt »Sonne«, und im Schaufenster der nunmehr geschlossenen Metzgerei steht handgeschrieben auf einem Schild: »Do woisch wo’s herkommt.« Schiltach, das ist die perfekte Kulisse für den Schinkenproduzenten Abraham.
    Die erste Requisite, die bei einer Werksführung ins Auge fällt, sind zwei Bollenhüte, ein roter und ein schwarzer, die gleich am Eingang unter zwei Plexiglasvitrinen an der Wand hängen. Bollenhüte, das sind jene eigenartigen Kopfbedeckungen, die aus einem Haufen tennisballgroßer Kugeln bestehen und die zur traditionellen Tracht von Schwarzwälderinnen gehören. Die Frau in Tracht und Hut steht für den Schwarzwald wie der Stern für Mercedes und der Bär für Berlin, und so gibt es praktisch keine Hotel-Broschüre und kein Schwarzwald-Produkt ohne die Dame mit der Kopfbedeckung. Keine Frage, dass auch Schinken-Multi Abraham auf seinen Verpackungen für Schwarzwaldschinken nicht auf die Bollenhut-Frau verzichtet.
    Eineinhalb Stunden dauert der Rundgang mit dem Werks-Geschäftsführer und gelernten Metzgermeister. Er beginnt beim Wareneingang, wo ein Mitarbeiter im Sekundentakt ein PH -Messgerät in die Fleischstücke rammt, die auf einem

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