»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Angebot an Schwarzwälder Schinken nicht unendlich wachsen kann, schon gar nicht dadurch, dass die Bezeichnung inflationär auf Verpackungen mit Bollenhut-Folklore gedruckt wird, in denen Fleisch aus Belgien oder Holland steckt.
Dann wäre die Lebensmittelwelt vielleicht ein Stückchen besser. Aber noch ist sie, wie sie ist, und zu diesem beklagenswerten Ist-Zustand liefert Bertolli, eine Marke des Lebensmittelmultis Unilever, die Variation alla Italiana. Bertolli ist bekannt als Hersteller von Pasta-Saucen, Olivenöl und Essig. Und für eine Selbstinszenierung, die kein Heile-Welt-Stereotyp auslässt: »Die Marke Bertolli verbindet Innovation und Tradition mit Liebe, Erfahrung und Begeisterung für Olivenöl. Und diese langjährige Erfahrung kann man auch heute noch schmecken! Die Leidenschaft für gutes Essen, die Freude an den einfachen Dingen des Lebens und die große Bedeutung von Familie und gemeinsamen Mahlzeiten sind grundlegende Werte.« Bertolli hätte gute Chancen auf einen der ersten Plätze für die schamloseste Kundenveräppelung durch vorgetäuschte Authentizität. Ein holländisches Fernsehteam hat Bertolli dabei einmal vorgeführt, indem es einem Bertolli- TV -Spot auf den Grund ging. In dem Spot für Pasta-Sauce aus getrockneten Tomaten wirbeln alte Frauen mit Kittelschürzen, Kopftüchern und verlebten Gesichtern durch eine Tomatensaucen-Fabrik, sie rühren in Töpfen und schmecken mit Löffeln ab, und zuletzt bauen sie sich mit Saucen-Gläsern und Tomatenkörben zum Gruppenbild vor der Fabrik auf. So »zaubert« Bertolli »italienisches Lebensgefühl auf den Bildschirm«. Aber es ist wie in Hollywood: alles falsch, alles Schwindel und Kulisse.
Bei der Pressestelle erfährt der holländische Fernsehreporter zunächst, die Frauen seien zwar »echt«, aber man könne sie nicht besuchen. So reist er auf der Suche nach den alten Damen zur Bertolli-Fabrik nach Italien, wo er hört, die Frauen kenne man nicht, die seien außerdem viel zu alt. Durch einen Tipp landet der Reporter schließlich in einem spanischen Kaff bei Maria, einer netten alten Frau, die zum ersten Mal das Video sieht, in dem sie und ein paar andere alte Frauen aus dem Dorf als Darsteller mitwirkten. Und in der vermeintlichen Tomatensaucen-Fabrik im Nachbardorf erfährt der Reporter, dass man ausschließlich Zuckerrübensirup herstelle; für die viertägigen Dreharbeiten, erzählt der Fabrikleiter noch, hätten die Filmleute sie mit 1000 Euro abgespeist.
Alles nur Spaß? Nur ein harmloser, augenzwinkernder Werbespot, den aufgeklärte Mediennutzer sofort durchschauen? Das Bittere daran ist, dass sich der Etikettenschwindel im Supermarktregal systematisch fortsetzt. Zum Beispiel in Bertollis »Pesto Verde«, das so frech mit täuschenden Angaben beworben wurde, dass man Bertollis »italienische Kultur« blanken Unsinn nennen muss. Das Pesto sei nach »traditioneller Rezeptur nur aus erlesenen hochwertigen Zutaten« hergestellt. Verwendet würden »Pinienkerne« und »feinstes Bertolli Olivenöl«. Doch das Pesto entpuppte sich als dreiste Mogelpackung: Bertolli hatte gerade mal zwei Prozent Olivenöl in sein Produkt gemischt, der Rest war hauptsächlich ein nicht näher definiertes »pflanzliches Öl«. Und die Pinienkerne, die so schön auf der Vorderseite der Verpackung leuchteten, machten nur 2,5 Prozent des Inhalts aus, der größte Teil war durch Cashewnüsse ersetzt. Die sind, ebenso wie das »pflanzliche Öl«, wesentlich günstiger auf dem Weltmarkt zu haben als Pinienkerne und Olivenöl. Schließlich waren auch noch Aroma, Kartoffelflocken und ein Säuerungsmittel zugesetzt. Sind das die »besten Zutaten«, die Bertolli für ein »Qualitätsprodukt« nach »Originalrezept« zu bieten hat? Will der Lebensmittelhersteller am Ende einfach nur italienisches »Lebens
gefühl
« bei seinen Kunden aufkommen lassen, ohne ihnen dafür die versprochenen »erlesenen Zutaten« zu liefern?
Ein wirklich traditionell italienisches Pesto aus frischem Basilikum, Pinienkernen, Parmesan, Salz, Knoblauch und Olivenöl koste zwischen 8 und 9 Euro und sei deshalb nicht marktfähig, schrieb Unilever, in einer Antwort auf die Kritik von Verbrauchern. Das Unternehmen beharrte darauf: »Jede beliebte Marke steht für ein bestimmtes Lebensgefühl, eine bestimmte Eigenschaft oder Empfinden – Bertolli ist Synonym für leckere, italienische Küche und mediterranes Flair.« Basilikum-Pesto, das ausschließlich aus Olivenöl, Pinienkernen und
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