Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Bode
Vom Netzwerk:
Betracht gezogen.
    Überreif ist die Zeit für den umfassenden Schutz von Kindern vor irreführender und schädlicher Lebensmittel-Werbung. Die zynische Empfehlung der Nahrungsmittelindustrie lautet: Nicht die Werbung muss ehrlich werden, sondern die Kinder müssen sich ändern – durch die Ausbildung ihrer »Werbekompetenz«. So wirbt der Lobbyverband BLL auf seiner Internetseite für den Verein Media Smart, der Grundschullehrern kostenlos Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellt. Damit sollen die Kinder dann lernen, sich »analytisch und kritisch mit Werbung auseinanderzusetzen, Werbeformen kennenlernen und Werbewelten begreifen«. Nur so könne man sie »stärken«. Werbewelten begreifen? Stärken? Im Klartext heißt das: Die Kinder sollen konditioniert werden für die Konsum- und Wachstumswelt der Erwachsenen. Der Zynismus liegt darin, dass Kinder zunächst mit fragwürdigen Methoden zum Konsum verführt werden sollen, um sie anschließend darüber aufzuklären, worin die Verführung bestand. Motto: Wir erklären euch jetzt mal, was wir alles tun, damit wir euch früher oder später doch rumkriegen. Jeder, der Kinder hat, weiß, dass das pädagogischer Unsinn ist. Aber den Lobbyisten geht es ja auch gar nicht um sinnvolle Pädagogik, sondern allein darum, dass alles so bleibt, wie es ist. Sie betreiben knallharte Verbandspolitik auf dem Rücken von Kindern, und das auch noch in der Verschleierung eines »gemeinnützigen« Vereins: Nur die Erziehung zur Werbekompetenz könne »der Weg in unserer Gesellschaft sein und nicht etwa, in den Markt einzugreifen und Verbote für die Werbung auszusprechen«, heißt es auf der BLL -Seite. Dieses Verständnis von Marktwirtschaft ist jedoch lediglich das Glaubensbild der Lobbyisten. Denn dort wo es um Grundrechte und um den Schutz besonders schutzwürdiger und schwacher Gruppen geht, da darf der Staat nicht nur eingreifen, da muss er es auch. Sonst kommt er seinem verfassungsmäßigen Auftrag, dem Gemeinwohl zu dienen und nicht den Interessen von Nestlé und Coca-Cola, gerade nicht nach. Ja, deshalb sind Verbote angesagt. Die Ernährungswirtschaft muss gezwungen werden, ihre Produktaufmachungen und Produktinformationen so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche, die nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig und eben keine »kleinen Erwachsenen« sind sowie besonders geschützt werden müssen, nicht zu falschen Kaufentscheidungen verführt werden.
    Ein Blick in die Ladenregale lehrt jedoch das krasse Gegenteil: Hier werden die Kinder unter massivem Einsatz von Spiel- und Comicfiguren, von Gewinnspielen, Preisausschreiben, Fußball- und Fernsehstars zum Kauf von Lebensmitteln verleitet und so von deren teilweise erheblichem Zucker- und/oder Fettgehalt abgelenkt. Süßigkeiten mit sehr hoher Energiedichte werden als harmlose »Zwischenmahlzeiten« positioniert. Milchmischgetränke, Softdrinks und Säfte werden fälschlicherweise als »Durstlöscher« angepriesen – obwohl es außer Wasser keinen sinnvollen »Durstlöscher« gibt: Milch ist ein flüssiges Lebensmittel, die zuckersüßen Softdrinks sind in der Regel aromatisiert und mit zahnschädigender Zitronensäure angereichert, und auch die Säfte enthalten Säuren und Fruchtzucker und sind deshalb nur stark verdünnt und in Maßen akzeptabel. Die Manipulation des Essverhaltens von Kindern erfolgt aber nicht nur durch suggestive Produktaufmachungen, sondern auch durch den in den Produkten selbst versteckten Zucker (inkl. Zuckeraustauschstoffen und Süßstoffen), durch Aromen und Geschmacksverstärker. Sie haben eine massive Geschmacksprägung der Kinder zur Folge und bestimmen damit auch ihr zukünftiges Ess- und Kaufverhalten auf Jahre hinaus.
    Die Lebensmittelindustrie behauptet gerne, die an Kinder gerichtete Werbung würde nur deren Marken
wahl
beeinflussen. Doch zahlreiche Studien legen immer wieder aufs Neue dar, dass Werbung eben auch den mengenmäßigen Konsum der ausgewählten Marken erhöht und deshalb ein direkter Zusammenhang zwischen Werbung und Übergewicht besteht. In einem Experiment 2009 in den USA wurden 118 Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren mit einer Schüssel Goldfisch-Kräcker versorgt und dann einem 14-minütigen Zeichentrickfilm überlassen; in der Werbepause sah die eine Kindergruppe Werbefilme für Unterhaltungsspiele, die andere verfolgte Spots für typische Kindersnacks wie Kartoffelchips und Sirupwaffeln. Ergebnis: Die Kinder, die die Essens-Werbung gesehen hatten, knabberten

Weitere Kostenlose Bücher