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Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Titel: Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kreutzberger , Valentin Thurn
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verzweigen. Nach der Norm dürfen sie nicht auf den Markt. »Doch die Würmer sind nicht schädlich für den Menschen«, so Schumann. Man kann an den Verzweigungen sogar erkennen, dass kein Spritzmittel eingesetzt wurde: Konventionelle Bauern töten die Fadenwürmer mit Pestiziden und erhalten so Möhren mit makellos geradem Wuchs.
    Biobauer Baringdorf ärgert das. Als er begann, in Bielefeld auf dem Siegfriedsmarkt sein Obst zu verkaufen, kam ein Beamter vom Ordnungsamt und fragte: »Was ist das für eine Handelsklasse?« – »Ich habe dann auf einen Zettel geschrieben: ›Handelsklasse biologisch wertvoll.‹« Der Beamte monierte: »So eine Handelsklasse gibt es nicht«, und drohte mit einer Strafe, damit er die Vorschriften beachtet. Doch damit war sein Kampfgeist erst geweckt: Baringdorf alarmierte die Presse, und das Amt gab nach.
    Die meisten Verformungen haben harmlose Ursachen. Rüben krümmen sich, weil sich die Wurzeln beim Wachsen an Steinchen im Boden vorbeischieben. Kirschen verwachsen, wenn sie mal dicht beisammen hängen. Zucchini laufen oft birnenförmig aus, wenn sie auf unebenem Erdreich liegen.
    Je länger unsere Familien in der Stadt leben, desto weniger haben wir über die Naturprodukte gelernt. Wir Stadtbewohner wissen oft nicht, wie unterschiedlich die Früchte auf dem Feld wachsen. Intuitiv wähnen wir hinter einer formschönen Frucht auch gesunde Ware. Doch der Schein trügt.
    Erst in den letzten Jahren spricht sich langsam auch bei den Städtern herum, dass pralle, tiefrote Tomaten absolut wässrig schmecken können, während alte Sorten zwar oft ungewöhnlich aussehen – gelb, faltig oder mit Streifen –, aber eine wunderbare Geschmacksintensität haben. Dieses Wissen gilt es zu kultivieren – mehr dazu später.

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    Warum der Wiener Müll so lecker ist
    Es war von Anfang an klar, dass wir auch in Österreich drehen. Denn im Gegensatz zum deutschen Müll ist der österreichische bestens untersucht. Das liegt an Felicitas Schneider. Auf der Suche nach ihr verirren wir uns auf dem gigantischen »Mistplatz«, wie es auf Wienerisch so schön heißt, bis wir die Halle finden, in der sie arbeitet. Ein Hangar voller Müllcontainer, mittendrin ein langer Tapeziertisch, daneben Plastikbottiche mit Aufschriften wie »Speisereste«, »originalverpackte Lebensmittel« oder »Verpackungen«.
    Die Müllforscherin vom Institut für Abfallwirtschaft geht mit drei Kollegen an die Arbeit, öffnet einen Container. Ein süßlicher Geruch schlägt ihnen entgegen. Ihr Mundschutz hält wenigstens die Schimmelsporen ab. Felicitas Schneider verzieht keine Miene, stützt die Arme auf den Containerrand und schwingt sich hinauf.
    Der drahtigen Frau merkt man die Sportlerin an, wenn sie sich in Balance bringt: Nur die Taille liegt auf, Oberkörper und Beine sind gestreckt und federn in der Luft. So fördert sie Müllsäcke tief aus dem Container heraus und reicht sie ihren Kollegen.
    Die öffnen die Säcke und schütten sie auf dem Tisch aus. Mit Plastikhandschuhen durchwühlen die Wissenschaftler den Abfall: »Originalverpackter Pizzaschinken, noch nicht einmal abgelaufen, es ist noch ein halber Monat bis zum Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums.«
    »Und hier haben wir einen ganzen Sack Erdäpfel, also Kartoffeln, noch knackig, sogar Bioqualität, aus Ägypten. Um die hierherzubringen, musste viel Energie aufgewendet werden.« Felicitas Schneider schüttelt den Kopf über so viel Unvernunft. Sowohl Schinken als auch Kartoffeln wären noch gut genießbar gewesen.
    »Hier haben wir eine ganze Großpackung von Ciabatta-Brötchen. Wahrscheinlich sind die übrig geblieben, und als eine Neulieferung kam, wurde das Regal geleert.« Gewerblicher Abfall aus Restaurants und Supermärkten enthält große Mengen an noch originalverpackten Lebensmitteln.
    Felicitas Schneider hat zehn Wochen lang die Container kleinerer Filialen eines Discountsupermarkts im Wiener Stadtgebiet untersucht. Dort wurden pro Filiale und Tag etwa 45 Kilogramm an genießbaren Lebensmitteln weggeworfen. Die Forscherin kennt die Gründe, sie hat selbst früher einmal im Lebensmittelhandel gearbeitet: »Weil die Verpackung an einem Ende offen ist, oder bei Milchprodukten, weil sie knapp vor Ablauf aussortiert werden.«
    Felicitas Schneider ist nüchtern und kühl bei ihrer Arbeit. Dennoch spürt man deutlich, dass sie ein Anliegen hat: »Natürlich versucht man auch als Wissenschaftler die Gründe zu verstehen. Wenn ich überlege, wie ich

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