Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Titel: Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Kreutzberger , Valentin Thurn
Vom Netzwerk:
nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum genießbar ist.« Ja, macht denn das Datum überhaupt noch Sinn, wenn die Sachen weit länger haltbar sind?
    Carsten Zerch kennt den Ablauf, er ist täglich mit den Herstellerfirmen in Kontakt: »Sie testen, wie lange ihr Produkt haltbar ist. Dann geben sie noch einen Sicherheitsabstand hinzu. Und so errechnen sie das Datum, bis zu dem sie Gewährleistung geben.«
    Für den Sozialmarkt lohnt es sich – weil er größere Chargen abnimmt –, den Hersteller um ein Datum nach dem Datum zu bitten, also einen Erfahrungswert, wie lange das Produkt tatsächlich hält. Im Interesse seiner Kunden verlässt sich Carsten Zerch allerdings nicht allein auf die Schätzung der Hersteller: »Wir könnten uns jetzt darauf auch verlassen, aber das reicht uns nicht, daher machen wir immer wieder mal einen Test.«
    Heute kocht er zum Beispiel eine Tütensuppe und testet auch den Geschmack der fertigen Suppe. »So können wir gewährleisten, dass alles bei uns auch wirklich noch genießbar ist, auch nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum.« Andere Produkte sind deutlich schneller getestet: Bei Essig genügt einmal riechen, bei Nudeln oder Salz reicht eine Sichtprobe.
    »90 Prozent unserer Waren sind Überschüsse«, so Carsten Zerch. Jeden Morgen fahren die Lkws des Sozialmarkts zu den Lebensmittelherstellern und holen Paletten voller Dosen, Säfte, Joghurt oder Brot ab. Aber warum produzieren die Fabriken mehr, als sie verkaufen können? »Das liegt daran, dass der Fabrikant immer alles auf Lager haben möchte, um seine Kunden, die Händler, jederzeit befriedigen zu können. Damit keiner abspringt, falls er mal ein Produkt nicht vorrätig hat, und zur Konkurrenz geht. Das ist der Grund, weshalb immer zu viel produziert wird.«
    Auch für die Hersteller gilt also: Lieber tonnenweise wegwerfen als einen Kunden verlieren. Im Fall der Sozialmärkte findet die Überproduktion wenigstens noch eine sinnvolle Verwendung. Doch längst nicht alle Fabriken nutzen diese Möglichkeit.
    Ein treuer Lieferant der Sozialmärkte ist die Ankerbrot AG , mit 170 Filialen die größte Bäckerei des Landes. Ich bin ja erblich vorbelastet, daher habe ich schon immer ein Faible für die österreichischen Mehlspeisen. Speziell die »Topfenkolatschen« haben es mir angetan, ein luftiges, quarkgefülltes Vergnügen. Aber heute bin ich dienstlich da und spreche mit der Vorstandsassistentin Claudia Freitag.
    Ankerbrot beliefert nämlich nicht nur die Sozialmärkte, sondern versucht auch, seine »Retouren« zu verringern. Das sind die Backwaren, die am Abend übrig bleiben. In Österreich sind das ähnlich große Mengen wie in Deutschland – insgesamt werden 10 bis 25 Prozent der Tagesproduktion weggeworfen.
    In Wien gibt es vier große Bäckereien, und bei allen steht ein Container für die Müllbrote vor der Tür. Ein Lkw holt sie täglich ab und bringt sie zu den Assmannmühlen nach Guntramsdorf. Dort, in einer großen Halle, wird die Ladung abgekippt und von Schaufelbaggern zusammengeschoben. Ein unglaublicher Anblick: Tausende von Brotlaiben stapeln sich. Baguettes, Sonnenblumen-Brötchen, Brezeln, alles gemischt, Brot, wohin man auch sieht.
    Hier landet die Hälfte der österreichischen Müllbrote, 100 Tonnen Brot am Tag. Sie werden zu Tierfutter verarbeitet. Bei der anderen Hälfte der Müllbrote, klärt uns Geschäftsführer Andreas Pieler auf, lohnt das Abholen nicht, weil die Mengen bei den kleinen Bäckern zu gering sind. Sie landen in der Tonne.
    Warum schmeißen die Bäcker derartige Mengen an Brot weg? Claudia Freitag von Ankerbrot erklärt es mir: Die Kunden sind es gewohnt, dass das komplette Angebot bis Ladenschluss zur Verfügung steht. Und das besteht bei Ankerbrot aus über 100 verschiedenen Backwaren, Brot, Brötchen, Konditorei, auch meine Topfenkolatschen. Vor einem Jahr hat Ankerbrot beschlossen, das Angebot ab 17 Uhr etwas auszudünnen, nur noch 50 verschiedene Produkte sicher vorzuhalten: »Die anderen laufen bis zum Tagesende aus, sie sind also mal da und mal nicht da.«
    »Wir haben die Verkäuferinnen geschult, damit sie den Kunden eine passende Alternative empfehlen können.« Eine tolle Maßnahme zur Müllvermeidung, die auch noch Geld spart: In einem Jahr konnte Ankerbrot seine »Retouren« um 30 Prozent reduzieren. Nur: Die Bäckerei wagt es nicht, ihren Kunden davon zu erzählen, in der Angst, sie könnten wegbleiben, weil nach 17 Uhr nicht mehr alles im Regal ist.

    Das macht mich nachdenklich: Wie

Weitere Kostenlose Bücher