Die Eule - Niederrhein-Krimi
ich den Ausdruck ›nicht konkret einzuordnen‹ benutzte. Karin, mal im Ernst: Was macht dich so sicher, dass von diesen Leute keine Gefährdungsmomente ausgehen?«
Karin schaute für einen Moment durch ihn hindurch. »Ich kann es nicht ausschließen. Deshalb habe ich ja die Entscheidung getroffen, meine Kinder zu schützen, indem ich sie verschweige.«
Burmeester schüttelte missbilligend den Kopf und sprach mit theatralischen Gesten weiter. »Stattdessen schreibst du die Adresse deiner armen, alten, gebrechlichen Mutter auf und wirfst sie den Wölfen zum Fraß vor.«
Gero von Aha steckte seinen Kopf durch die Tür.
»Was, wie, Sie haben eine falsche Adresse angegeben? So haben wir nicht gewettet, die überprüfen die persönlichen Angaben bestimmt, und dann?«
»Dann werden sie feststellen, dass ich dort gelebt habe, na und? Ich werde eben vorübergehend in mein altes Zimmer eingezogen sein. Irgendwas werde ich denen schon erzählen, wenn es überhaupt zum Thema wird.«
»Ach, und so lange wird Ihr, wie sagte Nikolas gerade, armes, altes, gebrechliches Mütterlein unter Umständen in die Schusslinie geraten. Können Sie das vor Ihrem Gewissen verantworten?«
Karin Krafft sah dem Neuen in die Augen. »Ja, das kann ich.«
Verächtlich hob von Aha die Augenbrauen und blickte scharf durch die dunkel gerandete Brille im Retrolook. Er sah aus wie eine Eule, die eine Schar Mäuse bestaunt, die unverschämt freizügig vor ihrem Schnabel flanieren.
»Über Ihr Verhältnis zu Ihrer Mutter mag ich nicht weiter nachdenken. Hätten wir den ganzen Undercovereinsatz doch nicht durchgeführt. Viel hat es nicht gebracht bis jetzt, außer dass meine Adresse bei denen liegt und Ihre bedauernswerte Mutter vielleicht von Mitgliedern belagert wird. Haben Sie denn gar kein Mitleid?«
»Nein, sie fühlt sich doch wohl in der Abstellkammer, die wir ihr eingerichtet haben, seit ihre restlichen Räume an rumänische Erntehelfer vermietet sind, und sie ist dankbar für jede trockene Knifte und kaltes Wasser. Mutter führt uns den Haushalt für Kost und samstags Baden und trägt Sachen aus der Kleiderkammer auf, damit sie uns mit ihrer Rente unterstützen kann. Gucken Sie nicht so entsetzt, von Aha. Hier in der Provinz gibt es kein Generationenproblem, hier hat alles seine Ordnung.«
Burmeester bedeutete seinem Kollegen energisch, ihm zu folgen, bevor dem verdutzten Mann die passende Antwort in den Sinn kam. »Komm auf den Teppich. Noch eine Viertelstunde bis zur kleinen Lage. Bei einer Tasse Luxuskaffee erzähl ich dir gerne ein paar Anekdoten zu Johanna Krafft.«
»Du kennst sie?«
»Ich wohne bei ihr im Dachgeschoss, und, glaub mir, die Frau ist topfit und putzmunter. Außerdem ist sie über die Weitergabe ihrer Adresse informiert. Mutter und Tochter haben ein beneidenswert gutes Verhältnis zueinander, glaub der Chefin kein Wort zu dem Thema. Die ist ein Familienmensch.«
Irritiert blieb von Aha stehen. »Wie passt so eine familiäre Idylle zu ihrer offensichtlichen Vorliebe für hormongesteuerte Taxifahrer?«
Erst wusste Burmeester nicht, was er meinte, dann lachte er schallend los. »Das erzähl ich dir ein anderes Mal.«
Die Behördenchefin van den Berg steckte ihren Kopf durch die Tür. »Staatsanwalt Haase lobte Ihren wohlschmeckenden Kaffee in höchsten Tönen, Herr von Aha. Gibt es noch eine Tasse vor der Besprechung?«
Was die für einen Zirkus um diesen Kaffee machen, dachte Karin, ich könnte weder Herkunft noch Röstverfahren erschmecken.
* * *
Während der geordnet verlaufenden Erörterung der aktuellen Lage wurden die, ihrer Meinung nach, einseitig verlaufenden Ermittlungen von Frau Doktor van den Berg scharf kritisiert.
»Was ist mit dem Aufenthaltsort des toten Fahrers? Noch wissen Sie nichts über Auftraggeber und Verbindungen. Der Erpressung der Witwe Pachwitz wird ebenfalls nicht die gebührende Aufmerksamkeit gegeben. Wie kommt das Insulin aus einer Kevelaerer Apotheke in die Venen des Patrick Leschek? Alles ungeklärte Fragen, ich wünsche Tempo, die Presse sitzt in den Startlöchern, um uns zu zerfleischen, und in Düsseldorf beäugt uns das LKA , schließlich ist eine Glaubensgemeinschaft involviert. Überall, wo das drübersteht, ist man in erhöhter Alarmbereitschaft.«
Sie nahm einen letzten Schluck Kaffee aus ihrer Tasse, der ein winziges Lächeln auf ihre Lippen zauberte, das umgehend wieder verflog. »Ich muss in die Leitstelle. Frau Krafft, ich erwarte zeitnahe Erfolge.«
Haase
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