Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eule - Niederrhein-Krimi

Die Eule - Niederrhein-Krimi

Titel: Die Eule - Niederrhein-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Thomas u Wirth Hesse
Vom Netzwerk:
erinnerte Christiane daran, dass er mit dem Kontaktmann der Stasilandesbeauftragten verabredet war und das Treffen beinahe verschwitzt hätte. Sie solle einfach mitkommen, dann würde sie über die Aktenlage informiert sein und gleich die ganze Geschichte erfahren, so wie er sie sah. Er, nicht seine Chefin in Wesel und größtenteils nicht mit hieb- und stichfesten Beweisen gesichert.
    Christiane lachte zustimmend, strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Wie strahlend lebenslustig sie aussah. So einfach war das also, sich zu verlieben. Bevor er aufkeimenden romantischen Ideen nachhängen konnte, erinnerte sie an den Computerfreak vom Petersberg.
    »Den kontaktiere ich jetzt und melde uns für morgen an. Am Mittag ist er wahrscheinlich aufgestanden und kommt langsam auf Touren.« Sie schickte routiniert eine SMS ab. Dann zog sie Gero von Aha energisch in Richtung Straßenbahnhaltestelle.
    Erst als sie sich auf der hölzernen Terrasse des ›Übersee‹ einen Platz suchten, hatte er das Gefühl, dass sich ein Schatten aus seiner Nähe löste und am Ufer der Gera verschwand, irgendwo dort, wo sich der Fluss erst aufteilte und dann pittoresk unter der mit schmalen Häusern bebauten Krämerbrücke durchschlängelte. Hier pulsierte das Leben, spätestens in einer Stunde zur Abendessenszeit würde das Restaurant dicht besetzt sein. Ein grauhaariger, blasser Mann gesellte sich nach knappen einführenden Worten zu ihnen. Sein Name schien Programm zu sein, er wirkte streng und direkt. Der Kommissar fand den leicht belebten Treffpunkt falsch, hielt seine Meinung jedoch zurück, denn noch konnte man zwischen den nur vereinzelt besetzten Tischen sprechen, ohne gehört zu werden.
    Gero von Aha skizzierte mit knappen Sätzen seine Ermittlungen in Wesel und den Mordfall. Mit Seitenblicken bezog er immer wieder Christiane mit ein, die wissbegierig seiner Darstellung folgte. Sie pfiff tonlos zwischen den Zähnen, als er geendet hatte.
    Ohne ihm die Möglichkeit zu nehmen, aus seiner persönlichen Geschichte als ehemaliger verfolgter Bürgerrechtler und heutiger Aufarbeiter der staatlichen Vergangenheit zu erzählen, drängte von Aha den Beißer behutsam zur Eile. Dieses Ventil musste er ihm lassen, wenn er Informationen bekommen wollte, bevor sich das Restaurant füllte. Christiane begriff seine Vorgehensweise, Gero von Aha war zufrieden, dass sie ihn kommentarlos agieren ließ.
    Beißer erzählte von jenem IM Schubert, der sich als falscher Freund in die Protestbewegung vor der Wende eingeschlichen hatte, dem man absolutes Vertrauen entgegengebracht hatte und der doch einhundertachtzig Seiten Interna, meist über Kirchenvertreter, bei denen er ein und aus ging, für die Staatssicherheit verfasst hatte. Ganz und gar irre sei gewesen, dass der Informelle Mitarbeiter im Auftrag der Bürgerrechtler die Versiegelung der Stasi-Zentrale an der Andreasstraße begutachtete. Der IM habe praktisch die Ergebnisse seiner eigenen Spitzelarbeit beschützt und vor dem Schredder bewahrt, es gebe sogar Pressefotos davon, wie besagter Schubert am Nachmittag des 4. Dezember 1989 einen Staatsanwalt dabei beobachtet, wie der Aktenschränke voller Unterlagen und Verhörprotokolle versiegelt.
    »Das war ein Tag! Erfurt war die allererste Stadt der DDR , in der die Bezirkszentralen des Ministeriums für Staatssicherheit besetzt wurden. Rostock im Norden, Leipzig in der Mitte, Erfurt im Süden – hier ging es zuerst zur Sache. In dieser Stadt zogen morgens fünf Frauen los in der heroischen Absicht, die begonnene Vernichtung der Akten zu stoppen. Stellen Sie sich diese Ungeheuerlichkeit vor gegen den einst allmächtigen Sicherheitsdienst, der über neunzigtausend hauptamtliche und hunderttausend nebenamtliche Mitarbeiter verfügte und ja immer noch schwer bewaffnet war. Die fünf Frauen erreichten ihr Ziel, und von hier aus ging die Besetzungswelle der Stasibehörden weiter, bis sie Mitte Januar 1990 die Oberzentrale in der Berliner Normannenstraße erreichte«, dozierte Beißer.
    Christiane fiel spöttelnd ein: »Aber die Revolution blieb friedlich. Das hat der Erich Mielke, unser großer und gefürchteter Stasichef selbst geschafft. Da gab es kurz nach seiner Abdankung diese legendäre Rechtfertigungsrede in der DDR -Volkskammer, ihr erinnert euch? ›Ich liebe doch – ich liebe doch alle – alle Menschen – na ich liebe doch – ich setze mich doch dafür ein.‹ So ein heuchlerisches Gestammel. Von dieser Liebeserklärung haben sich die

Weitere Kostenlose Bücher